Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 25: Mittwoch, 3. Juli 2019
Mehr Süden geht nicht

Oberstdorf - Südl. Punkt Deutschlands - Oberstdorf
[Karte]

Radreise Teil 11 (Tage 23 bis 25)

Missratene Sightseeing Tour in Ulm. Weiterfahrt auf dem Illerradweg bis nach Oberstdorf.

Als erstes melde ich mich an diesem Morgen auf dem Campingplatz an. Ich möchte für drei oder vier Nächte hier bleiben, weiss aber noch nicht, wieviel Zeit ich für die Wanderungen brauche, die ich geplant habe und wie das Wetter in den nächsten Tag wird. Auf den ersten Blick gefällt mir Oberstdorf aber schon mal sehr gut. Die Lage ist super. Gegen Süden die hohen Berge. Verschiedene Täler zweigen hier von Oberstdorf fast sternförmig in alle Himmelsrichtung ab. Die einen in die hohe Berge, die anderen in nicht so wildes Voralpengebiet. Natürlich ist Oberstdorf sehr touristisch, trotz allem strahlt das Dorf und die ganze Szenerie hier eine sehr relaxte Stimmung aus. Ich habe den Eindruck, dass es hier nicht allzuviele dieser nervigen Tagestouristen gibt, die den Ort am Morgen überfallen, sich in belanglosen Touristenshops irgendwelchen unnützen Krempel kaufen, sich zwei, drei Highlights angucken und Abends wieder verschwinden. Es sind eher Wochen- oder Mehrtagesgäste, die die Umgebung geniessen wollen und wandern gehen. Trotz allem herrscht hier geschäftiges Treiben, aber die Leute wirken alle sehr entspannt, was mir gefällt. Kitschläden gibt es kaum, dafür wie an solchen Orten üblich, ein paar Sportgeschäfte, Kleiderläden, Cafés, Restaurants und Hotels und was es halt sonst noch so braucht.

Nach dem Frühstück fahre ich zum ersten mal ins Dorf um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Oberstdorf ist ein ganzes Stück grösser als ich mir das gedacht habe. Vom Bahnhofplatz ziehen sich mehrere Strassen mit Geschäften und Restaurants zur Skisprung-Arena mit der Schattenberg Schanze hoch. Ich muss schon zwei, dreimal durch den Ort fahren, um mich orientieren zu können und bis ich so einigermassen weiss, wie die Strassen verlaufen und wo überall die Restaurants und Geschäfte sind. Im Touristenbüro informiere ich mich über die aktuelle Auslastung der umliegenden Berghütten. Die Dame sagt mir, dass bis auf die Kemptnerhütte noch überall genügend Plätze frei sind. Die Kemptnerhütte liegt auf der Kreuzung vom populären Heilbronner Höhenweg und dem wohl bekanntesten Abschnitt des E5 Fernwanderweges, der hier in Oberstdorf startet und nach Meran führt. Diese berühmte Nord-Süd-Überquerung ist wohl die bekannteste und sehr beliebt. In einer Woche lassen sich von hier die Alpen bis ins Südtirol überschreiten. Die Wanderung ist auch für normal fitte und nicht ausgeprochen berggängige Wanderer durchaus machbar. Unterschätzen sollte man den Weg aber trotzdem nicht. Gut, dass die Kemptnerhütte nicht auf einer meiner geplanten Wanderungen liegt und so kann ich also meine Touren für morgen und übermorgen in Ruhe angehen. Ich kaufe mir noch eine Wanderkarte und zieh dann weiter.

Die letzten 3 Kilometer gehts ohne Rad zum Ziel

Die letzten 3 Kilometer gehts ohne Rad zum Ziel

Es ist schon wieder zwölf Uhr durch, bis ich meine letzte Etappe zum südlichsten Punkt von Deutschland angehe. Zuvor hab ich mir bei Edeka noch Verpflegung für unterwegs geholt und mir im Dorf einen neuen Rucksack und niedere Wanderschuhe gekauft. Beides Dinge die ich eh gebraucht habe und natürlich nicht durch ganz Deutschland schleppen wollte. Die heutige Tour wäre auch in den Turn- oder Bikeschuhen möglich gewesen, das geplante Unterfangen der nächsten zwei Tage aber bestimmt nicht mehr. Da sich das Stillachtal endlos zieht, möchte ich mit dem Fahrrad soweit wie möglich ins Tal hinein fahren. Zuerst gehts auf der normalen Strasse am Langlaufstadion vorbei, das wegen der nordischen Ski-WM 2021 gerade um- und ausgebaut wird. Bald passiere ich zur Rechten die imposante Skiflugschanze und die Talstation der Fellhornbahn. Ab Birgsau, wird die Strasse dann schmaler und der weitere Weg ist ab hier für den Individualverkehr gesperrt. Auch für die Buslinie Nummer 7 ist hier Endstation. Bald folgt eine zünftige Rampe die mit bis zu 15% steilheit nochmal alles von mir abfordert. Hier überwindet man auf kürzester Strecke 100 Höhenmeter. Die E-Biker die mich hier überholen, grüssen meist freundlich und sind oft auch überrascht, dass es noch Menschen gibt, die ohne Motörchen den Berg hoch fahren. Danach flacht das Gelände wieder etwas ab und ich bin überrascht, dass hier die Strasse immer noch geteert ist. Ich dachte mir, dass es ab der vorletzten Stage dann zu Fuss weiter ginge, aber als ich die Karte etwas genauer anschaue sehe ich, dass ich immer noch ein ganzes Stück weiter fahren kann. Am Ende sind es dann über 16 Kilometer, die ich vom Campingplatz ins Tal hineingefahren bin und dabei schon gut 400 Höhenmeter überwunden habe. Passt doch :-) An einer Alm binde ich dann mein Fahrrad an und gehe zu Fuss weiter.

Speicherhütte

Speicherhütte

Mein GPS zeigt mir noch knappe drei Kilometer an, aber es geht auch noch fast 500 Höhenmeter hoch. Ich lasse mir Zeit und geniesse es, mal wieder zu Fuss unterwegs zu sein. Der neue Rucksack und die Schuhe fühlen sich ganz gut an. Scheint, dass ich mir da das richtige Equipment gekauft habe. Ein schöner Weg führt zum Teil recht steil hinauf und der Blick zurück ins Tal wird immer eindrücklicher. Als mein GPS dann noch gut 200 Meter zu meinem letzten Posten, dem Grenzstein 147 anzeigt, werde ich schon fast ein bisschen emotional. Auf den letzten Metern ändert sich dann die Landschaft nochmal. Es ist wunderschön hier oben. Die Kalkfelsen mit ihren Schrattenkalkformationen erinnern an die Churfirsten oder den Alpstein. Das Erreichen des Grenzsteins feiere ich dann mit einem kleinen Jauchzer, bin zugleich aber auch etwas berührt, da meine grosse Reise hier ja nun ganz offiziell zu Ende ist. Ein wirklich schönes Fleckchen Erde, dass auch ohne Geocachen einen Besuch wert ist. Witzig, wie unbekannt solche doch recht speziellen Orte sind. Kein eigens dafür aufgestelltes Schild im Tal oder sonst eine Markierung unterwegs, weist auf den südlichsten Punkt Deutschlands hin. Ich denke gerade an Cornwall, wo ich letztes Jahr Ferien gemacht hatte und wo der südlichste und westlichste Punkt des Festlandes grosse Touristenmagneten sind und hunderte von Leuten jeden Tag anziehen. Ich bin ganz froh, dass das hier nicht so ist und nicht jedes Plätzchen das eine Bedeutung hat, touristisch erschlossen wird. So geniesse ich ein paar Minuten, ganz für mich alleine diesen schönen Ort und mache mich dann zum berechneten Punkt auf, wo das Logbuch nicht weit vom Grenzstein 147 versteckt ist. Hier macht sich dann etwas Ernüchterung breit. Ich finde nach dieser über dreiwöchigen Radreise nur eine banale kleine Locklock-Dose. Soweit so gut. Darin liegt als Logbuch aber nur ein auseinaderfallendes Notizblöcklein aus irgendeinem Hotel. Das wirkt sehr lieblos und ist ein bisschen frustrierend, für die Strapazen, die man dafür auf sich genommen hat. Aber ich will es auch nicht überbewerten, denn hier war ganz klar der Weg das Ziel und nicht irgend ein fancy Kistlein am Ende. Ich erspare mir aber hier gross was reinzuschreiben und mach mich wieder an den Abstieg. Mit dem Fahrrad bin ich dann trotz langer Abfahrt noch lange unterwegs, bis ich wieder in Oberstdorf bin. Hier gönne ich mir dann noch eine schöne Portion Spaghetti Bolognese, obwohl ich eigentlich Pizza wollte. Aber als ich in der Karte die Spaghettis entdecke, ists um mich geschehen und die Pizza kein Thema mehr ;-) Die Entscheidung war gut, denn die Bolos waren richtig gut und genügend Käse zum drüberstreuen gabs auch noch.

Belohnung nach über 1500 Kilometern auf dem Rad

Belohnung nach über 1500 Kilometern auf dem Rad

Zum schreiben komm ich an diesem Abend dann aber nicht mehr. Bis ich geduscht bin und die Tourenplanung mit Karte und Internet für die nächsten zwei Tage gemacht habe ist es zu spät. Zudem möchte ich morgen früh raus, damit ich zeitig los komme.

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