Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 23: Montag, 1. Juli 2019
380 Treppenstufen für was?

Ulm - Iller-Radweg - Sinningen
[Karte]

Radreise Teil 11 (Tage 23 bis 25)

Missratene Sightseeing Tour in Ulm. Weiterfahrt auf dem Illerradweg bis nach Oberstdorf.

Dieser Montag sollte nicht ganz so verlaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Eigentlich freute ich mich gestern auf eine komfortable Nacht im Hotelbett, aber im Zimmer war es so heiss, dass an ein entspanntes Schlafen nicht zu denken war. Umso mehr freue ich mich jetzt auf ein gediegenes Frühstück. Dieser Wunsch wird mir voll und ganz erfüllt. Das Buffet ist reichhaltig und ich lasse es mir schmecken. Danach nutze ich die Gelegenheit und steige nochmal schnell unter die Dusche. Diesmal lasse ich den Duschvorhang offen, denn die Duschwanne ist so klein, dass der Vorhang, egal wie man sich da hinstellt, sofort am Hintern oder sonstwo festklebt, was extrem nervig ist. Damit ich dem Touristenrummel entgehen kann, versuchte ich zeitig los zu kommen und stehe so um halb Zehn vor dem Münster. Die Besteigung des Turmes stand von Anfang an auf meiner Wunschliste ganz weit oben. Was staune ich aber, als ich auf den Münsterplatz trete und die sehe, dass die Hauptpforte durch einem hohen Zaun abgeriegelt ist. Gestern Nacht stand da noch nichts und heute kann man sich der Front grade nochmal bis auf etwa 50 Meter nähern. Haupteingang und Münstershop sind nicht mehr erreichbar. What the f... ? Ich laufe ums Münster herum und erst jetzt fällt mir ein Aushang am Zaun auf, wo drauf stand, dass das Gitter zur Sicherheit wegen der Bauarbeiten am Turm aufgestellt wurde, die Eingänge wegen dieser Unterhaltsarbeiten gesperrt sind, das Münster aber über einen Seiteneingang trotzdem besichtigt werden kann. Ok, dann ist ja alles gut, also los und den Seiteneingang suchen. Der ist sehr unscheinbar und ich traue mich kaum zu probieren, ob sich diese Türe öffnen lässt und mir Eintritt gewährt. Es geht und ich betrete das imposante Innere der Kirche. Supi, jetzt muss ich nur noch den Aufgang zum Turm finden und alles ist gut. Die Freude steigt, als ich den Zugang zum Turm entdecke. Sie ist aber nur von kurzer Dauer. Ich stehe in einen kleinen Raum mit Ticketautomat und Drehkreuz. Wieder hängt ein Zettel da, der mir sagt, dass auch der Turm wegen der Wartungsarbeiten heute nur bis zur unteren Plattform begehbar ist. Weitere Informationen gibt es nicht und das fünf Euro teure Ticket kann ich auch nicht am Automaten lösen, da ich nicht genügend Kleingeld bei mir habe. Auch der Notenautomat hilft nicht weiter. Er akzeptiert nur fünf und zehn Euro Scheine. Also suche ich den Shop und kaufe mir dort mein Ticket. Ich frage am Schalter, ob es eine Preisreduktion gäbe, weil ja nur die unterste Plattform des Turmes zugänglich sei. Die Dame hinter dem Schalter verneint trocken und schiebt mir ohne weiteren Kommentar das Ticket zu. Na ja denke ich: 70 Meter ist besser als nichts, also rauf auf die erste Plattform und die Aussicht geniessen. Oben angekommen, erwartet mich dann die nächste Enttäuschung. Der Turm ist halbseitig eingerüstet, sodass man auf dieser Seite überhaupt nichts sehen kann. Es gibt hier auch keine Balkone, auf die man hinaustreten könnte. Es gibt nur kleine Fensterchen, durch die man hindurchgucken kann. Der Blickwinkel ist aber dermassen eingeschränkt, dass auch das keine Freude macht. Das Sichtfeld ist so beschränkt, dass man gerade mal drei vier Hausdächer sieht. Auf der anderen, eher unspektakulären Seite sieht man dann etwas mehr, aber der Blick auf Neuulm ist nun nicht grade ein Highlight. Ich hätte sehr gerne über die Dächer der Altstadt geschaut, aber das ist bei der eingerüsteten mittleren Plattform schlicht nicht möglich. Ziemlich frustriert möchte ich als Trostpflästerchen dann noch einen Cache loggen, der hier versteckt sein soll, aber auch der ist nicht zu finden und nachdem ich ein paar Logs gelesen habe wird mir klar, dass der wohl auch nicht mehr da ist. Ja prima, klappt ja alles wie am Schnürchen heute ;-) So steige ich frustriert wieder hinunter. Die Besteigung des Münsterturms stand seit Anbeginn der Tourplanung ganz zuoberst auf meiner Bucketliste und ich hatte mich so auf diese Attraktion gefreut und dann erlebe ich sowas. Ich bin kein Rappenspalter, aber finde es wirklich eine Frechheit, dass man die Besucher nicht einmal darauf hinweist, dass es auf der eingerüsteten mittleren Plattform kaum was zu sehen gibt. Das Treppensteigen ist jetzt auch nicht so der Burner, dass sich dafür der Eintritt lohnen würde. So muss ich diese Aktion leider als Komplettausfall abhaken.

Ulmer Münster, abends, innen, verhüllt

Ulmer Münster, abends, innen, verhüllt

Natürlich möchte ich mir auch noch die Altstadt anschauen, picke mir dafür einen anderen Cache heraus, der ganz nett klingt und einen gemäss Beschreibung durch die Ulmer Altstadt führen soll. Aber auch das klappt nicht. Die Aufgabe ist zu aufwändig. Man hätte Orte anhand von Fotos erkennen müssen und diesen dann vor Ort noch Bilder mit Spatzen zuordnen müssen. Solche Fotorunden sind auf dem Smartphone immer sehr mühsam zu machen und ich merke schon beim zweiten Posten, dass mich das Ganze viel zu viel Zeit kostet. So peile ich einfach die verschiedenen Punkte an, wo die Bilder zu suchen gewesen wären und entdecke dadurch die eine oder andere nette Ecke in Ulm. Besonders das Fischerviertel entzückt mich sehr. Ob ich da, ohne Cache auch hingekommen wäre? Trotz allem werde ich mit dieser kleinen Sight-Seeing-Runde auch nicht so richtig warm. Wahrscheinlich spielt da immer noch ein bisschen Turmfrust mit. Aber meckern darf ich auch nicht: Wenn man völlig unvorbereitet eine fremde Stadt besucht, kann man Glück haben und ein paar tolle Ecken entdecken, oder lustige Erlebnisse haben, oder es kann auch mal in die Hose gehen und man irrt verpeilt und ziellos durch die Gassen und verpasst aus nichtwissen die netten Orte, die das Ganze dann zu einem unvergesslichen Besuch machen. Und als ob das bisher erlebte noch nicht gereicht hätte, scheiterte ich nun auch noch an einem weiteren Cache, der auf meiner Cacheliste ganz weit oben stand. Es wäre eine Runde gewesen die mich durchs alte Fort, das etwas oberhalb der Stadt liegt, hätte führen sollen. Einen entscheidenen Fehler begehe ich als ich eine Strasse zu früh abbiege und den Berg hoch fahre. Nach einem Weilchen merke ich, dass zwischen dieser Strasse und dem Startpunkt ein Tal liegt, wo es aber kein Durchkommen gibt. Am Ende fahre ich dann zehn Kilometer um Ulm herum, weil ich immer dachte, da kommt dann schon noch ein Abzweiger, der mich wieder in die Nähe des Startpunktes bringt. Ich entfernte mich aber immer mehr von der Stadt und muss schliesslich auf einer grossen Bundesstrasse wieder zurück nach Ulm radeln. Hätte ich doch nur gleich am Anfang umgedreht, dann hätte ich fünf Minuten Zeit verloren, so war es am Ende eine Dreivierteltunde für nichts. Als ich dann nach dem riesigen Umweg doch noch am Fort ankomme, scheiterte ich schon bei der zweiten Aufgabe. Ich kann an diesem Posten einfach nichts finden. Inzwischen ist es bereits wieder halb zwei und ich wollte ja auf dem Iller-Radweg auch noch ein paar Kilometer vorwärts kommen. Also auch hier Abbruch, um mir noch die letzte Niete des Tages reinzuziehen: Der Besuch des Mediamarktes. Nachdem ich mein Gepäck im Hotel eingesammelt und festgemacht habe, checke ich per Internet, wo der nächste Elektronik-Fachmarkt ist. Nur 1,8 Kilometer von hier soll ein Mediamarkt sein. Das passt. Ich radele dort hin um mir Ersatz für meine geklauten Akkus und das Ladegerät zu holen. Schnell stehe ich vor den gesuchten AA-Akkus. Die gibt es in allen Ausührungen, auch Ladegeräte mit Stromanschluss hängen da, aber das von mir gesuchte Ladegerät mit USB-Anschluss gibt es natürlich nicht. Also weiter zur Ecke mit den USB-Chargern. Ich suche ein Teil, dass wie mein gestohlenes, mindestens vier Ausgänge und eine anständige Ladepower hat. Aber auch sowas finde ich nicht und so frage ich einen Verkäufer um Rat. Der kann mir aber auch nicht weiterhelfen und will mir dann so ein Billigteil mit zwei Buchsen andrehen. Dafür möchte ich aber kein Geld ausgeben und warte lieber, bis ich mir zuhause wieder ein ebenbürtiges Teil nachkaufen kann. Natürlich finde ich auch keine Powerbank, welche die gleiche Funktionalität der gestohlenen hat und so bleibt auch hier die schlechtere Alternative im Gestell hängen. Am Ende kaufe ich für den Rest der Ferien ein 24er Multipack AA-Batterien, damit ich für mein GPS auf jeden Fall immer genug Batterien dabei habe. Ist zwar lästig, damit sollte ich aber über die Runden kommen. Zum Gopro laden habe ich noch die kleine Powerbank, die ich notfallmässig mit dem iPhone-Adapter laden kann. Der hat zwar nur vier Watt Leistung und braucht wahrscheinlich 24 Stunden, um die Powerbank wieder voll zu machen. Aber im Moment muss ich mich damit bequemen.

So, kurzes Zwischenfazit. Ulm ist eine schöne Stadt. Da gibts bestimmt noch viel zu sehen, aber durch all die Dinge die heute einfach nicht klappen wollten, bin ich etwas geknickt und nicht sicher, ob ich Ulm nochmal besuchen soll. Nur wegen dem Münsterturm alleine, ist es mir die Reise dann doch nicht wert. Für Geocacher solls aber sehr spannend sein. Vielleicht ergibt sich ja in dem Zusammenhang mal wieder etwas und dann werde ich das Münster vielleicht doch noch besteigen, was ich übrigens als 8jähriger Junge schon mal gemacht habe, mich aber nicht mehr daran erinnern kann. Dass ich in Ulm war, weiss ich noch, aber viel mehr als die paar Fotos aus dem Fotoalbum und dem alten Turmticket von damals für 20 Pfennig ist leider nichts hängen geblieben.

Iller Radweg

Iller Radweg

Nach dem ganzen Frust gehts nun endlich weiter. Ich muss mir da ein bisschen was wegstrampeln ;-) Es ist halb drei. Ich habe zwar schon viele Kilometer von der Stadtrunde und der grossen Rund-um-Ulm-Schlaufe auf dem Tacho, die brachten mich aber keinen Meter näher ans Ziel. Die ersten zwei Kilometer bis zur Iller-Mündung folgte ich noch der Donau. An der Mündung zur Iller beginnt der gleichnamige Radweg und ich starte hier zu meiner zweitletzten Etappe. Oberstdorf ich komme. Schon kurz nachdem ich auf den Iller-Radweg abbiege höre ich entferntes Donnergrollen. Über Ulm hängen nach dem sonnigen Morgen inzwischen dunkle Wolken. Der Regenradar zeigt an, dass die Gewitterfront von Osten nach Westen zieht und es im Süden trocken ist. Ich bin guter Hoffnung, selbst als die ersten Tropfen vom Himmel fallen, dass ich auch diesem Regen noch entfliehen kann. Der Weg ist perfekt. Zu meiner Linken die Iller, zur Rechten Wald. Das Blätterdach fängt die dicken Tropfen am Rande der Front gut ab, sodass auch etwas stärkerer Regen nicht stört. Irgendwann wird es mir dann doch zu feucht und als ich an einem Fussballplatz vorbei komme, wo ich einen schönen Unterstand sehe, nutze ich die Gelegenheit und stelle mich unter. Der Regen wird dann nochmal stärker und ich bin so müde, dass ich die Pause für einen kleinen Powernap nutze. Am Boden sitzend, an der Mauer angelehnt, sitze ich ganz bequem und so döse ich für ein paar Minuten vor mich hin. Nach vielleicht 20 Minuten wird es mir dann aber zu blöd. Das Mobilnetz ist hier wieder so schlecht, dass der Regenradar nicht mehr funktioniert. Schon verrückt. Ich bin nur ein paar Kilometer von Ulm entfernt, in der Nähe ein Dorf und keine Hügel die hier den Empfang stören könnten. Ich kann die Deutschen gut verstehen, die ständig über die schlechte Netzabdeckung am meckern sind. Zum Glück lässt der Regen wieder etwas nach und so mache ich mich wieder auf den Weg und denke, Richtung Süden sollte es ja immer noch ok sein und zur Not hab ich natürlich auch meine Regensachen im Gepäck. Allzu viel sollte da aber nicht mehr kommen. Ich fahre ja Richtung Süden, wo zumindest vor einer Stunde noch keine Regenzellen zu sehen waren. Der Regen hört dann bald auf und macht der Sonne wieder Platz. So geht es weiter der Iller entlang. Ein rechtes Stück der Strecke musste vom Gewitter aber zünftig getroffen worden sein. Der Weg ist ziemlich nass und heruntergefallene Äste und grosse Pfützen zeugen von der Wucht die der Schauer gehabt haben muss. Das Fahren auf dem meist feinen Waldweg ist ganz angenehm. Gemütlich gehts voran und mit jedem Kilometer, kaum merklich, immer auch ein paar Meterchen bergauf. Als sich dann die nächsten Gewitterwolken auftürmen zücke ich das Handy, um nach Campingplätzen auf meiner Strecke Ausschau zu halten. Ist aber wieder nichts, da auch hier der Empfang wieder zu schlecht ist. Argh... gegen halb acht finde ich dann endlich an einem Dorfrand einen Spot mit gutem Empfang und checke die Situation nochmal. Was für ein Glück, keine zwei Kilometer von hier ist ein Campingplatz, den ich sofort ansteuere. Die Reception ist noch besetzt und so kann ich mich gleich anmelden. Ich bin froh, dass ich mit der Karte bezahlen kann, weil ich vergessen hatte Bargeld zu holen. Die Dame am Schalter meint noch: «Sie haben Glück, das Gewitter ist für heute schon durch. Das war ganz schön heftig, da kommt heute nichts mehr.» Ich antworte ihr dann, dass der Himmel inzwischen wieder ziemlich zugezogen sei und auch entferntes Grollen zu hören ist. Diesen Einwand ignoriert sie aber charmant und drückt mir den Key für die Duschen und WCs in die Hand und zeigt mir, wo ich mein Zelt aufstellen kann. Just als ich meinen Platz erreiche, beginnt es wieder zu regnen. Ich bleibe aber eisern und baue mein Zelt trotzdem schnell auf. Zum Glück ist der Spuk nach zehn Minuten wieder vorbei und danach bleibt es dann trocken. Es ist jetzt zehn vor elf. Ich klicke noch eine viertel Stunde im Internet rum und schaue mir die Strecke von Morgen nochmal an. Dann leg ich mich mal zeitig hin und hoffe, dass ich Morgen bis Oberstdorf durchfahren kann. Die Wetterprognosen sind auf jeden Fall ganz ok. Es soll aber merklich abkühlen, was bei der aktuellen Hitzeperiode heisst, dass es morgen angenehmes Sommer-Radelwetter geben soll. Am Nachmittag soll das Gewitterrisiko dann wieder ansteigen. Also versuche ich, dass ich morgen zeitig loskomme. Buona notte.

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