Tag 20: Freitag, 28. Juni 2019
Märchenhaftes Taubertal
Sommerach - Abtei Münsterschwarzach - Kitzingen - Marktbreit - Ochsenfurt - Taubertal - Derwang
[Karte]
Radreise Teil 9 (Tage 19 und 20)
Sight seeing in Bad Kissingen. Über weite Ebenen gehts zur Mainschlaufe nach Sommerau. Weiter auf dem Gaubahnradweg über weite Ebenen und durchs Taubertal bis Rothenburg ob der Tauber.
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Um viertel nach sieben steh ich auf und bin erstaunt, wie frisch es draussen ist. Ich muss seit langem mal wieder ein Jäckchen anziehen, zumindest solange, bis die Sonne auf meinen Platz scheint. Was neben der tollen Lage an meinem heutigen Zeltplatz auch ganz schön ist, ist der trockene Boden. Kein Kondenswasser das getrocknet werden muss. Perfekt. Da ich gestern nicht gekocht hatte, hab ich weniger Krempel zu verstauen und aufzuräumen und bin deshalb auch einigermassen zeitig mit packen fertig. Fürs Frühstück fehlt mir wieder mal Joghurt und frische Milch, also geht die Tour heute wieder mit leerem Magen los. Im Dorf gibts eine Bäckerei, die das Nötigste haben sollte. So fahre ich nochmal ins Städtchen hoch und schaue, was der kleine Bäckerladen für mich parat hält. Es gibt aber nur frische Milch im Literpack und kein gescheites Joghurt. So lasse ich es dann bleiben und entscheide mich für die Backwaren in der Auslage. Ein Riesen-Croissant, dazu ein grosser Kaffee und noch ein Stück Quarkkuchen mit Beeren. Ich lass mir die Sachen einpacken, weil ich lieber irgendwo draussen esse, als an dem winzigen Stehtischchen hier in der Bäckerei. So packe ich den Kaffee in die linke Hand, den Rest in die Taschen und hoffe, dass ich hinter dem Dorf dann bald auch ein Bänklein finde, wo ich Frühstücken kann. Kurz nachdem ich Sommerach durch das Stadttor verlassen habe, entdecke ich unter einem grossen Baum, direkt am Weg ein passendes Plätzchen und vespere die frischen Herrlichkeiten. Besonders das Croissant hats mir angetan. Schön fettig und wunderbar buttrig. Es schmeckt hervorragend und wenn man es in den Kaffee taucht, gleich noch ein Stückchen besser. Die Landschaft hier ist immer noch ein Traum. Ein paar Kilometer hinter Sommerach komme ich dann an der Abtei Münster Schwarzbach vorbei. Einen ganz eigenartigen Klosterbau gibt es hier zu sehen. Etwas später lese ich, dass dies der grösste Kirchenbau zur Zeit der Nationalsozialisten war. Er wurde 1938 eingeweiht. Nur drei Jahre später hoben aber die Nationalsozialisten das Kloster beim Klostersturm auf und nutzten die Anlage als Lazarett. Nach dem Krieg wurde es von den Amerikanern besetzt und wieder aufgebaut und seiner ursprünglichen Bestimmung wieder übergeben. Nicht nur von Aussen gefällt mir die brachiale Bauart dieses Benediktiner-Klosters nicht, auch das Innere der Kirche ist so gar nicht meins. Zur Zeit der Nationalsozialisten mit ihren Monumentalbauten passt diese Abtei aber sehr wohl und gilt heute vielleicht auch als Zeitzeuge dieser Aera. Als ich im Inneren der grossen Klosterkirche stehe bin ich überwältigt, diesmal aber nicht im positiven Sinn: Es ist alles so wuchtig, wirkt riesig, gewaltig und auf mich irgendwie bedrohlich. Das weckt bei mir in einer Kirche keine sehr guten Gefühle. So verliere ich keine weitere Zeit mit der Besichtigung des Klosters. Ist auch mal gut, wenn einem was nicht so gefällt und man schnell wieder weiter reisen kann. Im Klosterladen, dem eine Bäckerei und Metzgerei angeschlossen ist, lasse ich mir zwei belegte Brötchen für die Fahrt richten. Auf meiner Königssee Reise habe ich gelernt, dass Pressack was feines ist und als ich das hier in der Auslage sehe, ist natürlich klar, mit was ich das eine Brötchen belegen lasse. Ich freu mich jetzt schon auf die Mittagspause :-D.
Abtei Münsterschwarzach
Der weitere Weg führt dann noch ein ganzes Weilchen dem Main entlang, aber selten direkt am Fluss, was ich etwas schade finde, auch wenn die Gegend bis Kitzingen immer noch sehr hübsch ist. Dort mache ich dann einen kurzen Abstecher ins Städtchen, gönne mir ein Eis und fahre ein paar Strassen hoch und runter und verlasse danach den alten Stadtkern auch schnell wieder. Über die alte Mainbrücke wechsle ich auf die andere Flussseite und folge dem Radweg Richtung Marktsteft. Ich komme immer wieder an kleinen Ortschaften vorbei, die mich kurz von meiner Route weg locken. Einen Abstecher mache ich in Marktbreit und einen in Ochsenfurt, wo ich meine mitgebrachten Brötchen auf einem Mäuerchen vor der Kirche verzehre. In Marktbreit laufe ich in eine Gruppe von Senioren, die eine Stadtführung macht, ansonsten ist es hier aber erstaunlich leer, trotz dem recht grossen Parkplatz vor der Altstadt, unten am Main. Ich kann aber jedem eine Stippvisite in Martkbreit und Ochsenfurt empfehlen.
Ochsenfurt
Einen knappen Kilometer hinter der Stadt zweigt mein Weg dann scharf links ab und ich verlasse den Main und folge ab hier für die nächsten dreissig Kilometer dem Gaubahn-Radweg. Mal wieder eine stillgelegte Bahnstrecke, die zu einem Radweg umfunktioniert wurde. Bis 1992 verkehrten hier noch Züge. Zwei Jahre später wurden dann die Geleise entfernt und 1996 der Radweg eröffnet. Die Strecke steigt ganz sanft über mehrere Kilometer um erstaunliche 140 Meter an. Ich hätte nicht gedacht, dass das Maintal sich so tief in die Landschaft eingegraben hat. Oben auf der weiten Ebene beherrscht dann wieder weites Ackerland die Szenerie. Nicht wirklich spektakulär, aber eine schöne und ruhige Landschaft.
Burgruine Reichelsburg
Bei Baldersheim in der Nähe von Aub, fällt mir ein schöner Turm auf, der mitten im Wald zu stehen scheint. Dank Geocaching finde ich schnell heraus, dass es sich hier um die Burgruine Reichelsburg handelt. Ich mag solche Orte und mache kurz einen Abstecher dorthin, um mir das anzuschauen. Die Ruine steht auf einem kleinen Grashügel, der von Wald umgeben ist. Leider ist der Turm nur am Sonntag geöffnet, wenn freiwillige Helfer sich um das Bauwerk kümmern und dort auch Fragen der Besucher vor Ort beantworten. Schade, aber auf jeden Fall ein netter Ort. Da ich mich entschieden habe, Rothenburg ob der Tauber direkt anzufahren, was auf meiner geplanten Route so nicht vorgesehen war und ich langsam in die Nähe dieser Stadt komme, wirds höchste Zeit, eine kurze Pause einzulegen und am Laptop den besten Weg dorthin herauszutüfteln. Ich sehe dass ich dem Bahnweg noch ein Stück folgen kann und dann via Hohenloher Residenzenweg auf den «Liebliches Taubertal - der Klassiker» Radweg wechseln kann. Was für ein Name für einen Radweg, der tatsächlich auf den Schildern auch so angeschrieben ist. Die Strecke ist dann in der Tat auch lieblich. Ich tauche in ein wildromantisches Tal ein, das auf jeden Fall zu den schönsten Streckenabschnitten meiner Deutschlandtour zählt. Das Taubertal ist umwerfend schön und wunderbar ruhig und verträumt. Das weiche Abendlicht setzt dem Ganzen dann auch noch das Krönchen auf. In Tauberzell tauchen dann plötzlich wieder Weinberge auf. Ich nehme an, dass die Hügelflanke hier eine optimale Südlage hat. Die Weiler und kleinen Nester sind wunderbar verträumt und es macht mir grossen Spass hier durch zu radeln, auch wenn es ein etwas mühsames auf und ab ist.
«Liebliches Taubertal - der Klassiker»
Kurz nach sechs treffe ich in Detwang ein und bin so durstig, dass ich unbedingt noch was frisches zu trinken brauche. Da ich auch noch keine Milch und Joghurt fürs Frühstück habe, entscheide ich mich spontan, noch schnell nach Rothenburg hochzufahren. Das sind nochmal ein paar zusätzliche Höhenmeter, aber die Beine sind noch gut und die Steigung mit vielleicht fünf Prozent nicht allzu wild. Ich fahre dann bei einem grossen Parkplatz durch ein kleines Tor der Stadtmauer in den inneren Bereich des Städtchens und gewinne so schon mal einen ersten Eindruck. Bis zum Marktplatz dringe ich aber noch nicht vor. Das spare ich mir für morgen auf. Die erste Person, der ich begegne frage ich dann nach einem Supermarkt. Die Dame mit östlichem Akzent erklärt mir dann den Weg, der mich natürlich wieder aus den Stadtmauern heraus führt. In einem grossen ungemütlichen Kaufland-Supermarkt besorge ich dann das Nötigste, stürze ein kühles Schorle in einem Zug herunter und fühl mich dann wieder wohler. Nach einem Liter brühwarmen Wasser ist so ein gekühltes Getränk aus dem Supermarkt immer ein grosser Genuss. Die Apfelschorle ist natürlich nach wie vor mein favorisiertes Süssgetränk, aber auch das kann man nicht immer trinken und dann hole ich mir meistens eine Fanta oder ein San Pellegrino Orange. Das schmeckt sehr orangig und lecker, gibt es aber dummerweise nur in Aludosen zu kaufen, die ich oft mit einem schlechten Gewissen wegwerfe, weil ich meine Taschen damit nicht vollsabbern will. Ich habe inzwischen schon eine ganze Anzahl anderer Schorle-Sorten und Süssgetränke probiert, die es hier in Deutschland zu kaufen gibt. Die sind aber bei meinen Tests alle durchgefallen. Da gab es nie etwas, das mir wirklich geschmeckt hat, oder meiner heissgeliebten Apfelschorle eine ernstzunehmende Konkurrenz gewesen wäre. Die leeren Plastikflaschen stopfe ich dann irgendwo in eine meiner Satteltaschen und nehme sie mit, bis ich sie im nächsten Supermarkt in die Pfandmaschine schieben kann. Das blöde an den Automaten ist, dass man den Gutschein immer nur in dem Laden einlösen kann, wo der Automat steht. Kauft man etwas zu trinken, dass man gleich nach dem Zahlen leer macht, könnte man die Flasche zwar gleich wieder in den Pfandautomaten schieben, müsste dann aber wieder an der Kasse anstehen, um die 12 oder 25 Cent zurückzubekommen. Das ist mir meistens zu blöd und darum stell ich in solchen Fällen die Pfandflaschen lieber neben einen Abfalleimer. In Hannover wurde ich auf das Projekt «Pfand gehört daneben» aufmerksam gemacht. Das ist eine recht coole Aktion, die zum einen den sozial Schwachen hilft, die einen Teil ihres Lebensunterhaltes durch Flaschensammeln bestreiten, sich weniger zu verletzen und in den Kübeln herumwühlen zu müssen. Zum anderen werden die Ressourcen so nicht verbrannt, sondern wieder in den Kreislauf zurückgegeben. In Hannover standen solche Flaschen auf jeden Fall nie sehr lange neben einem Kübel.
Die Lust zum kochen sinkt rapide, als ich auf dem Weg zurück an einer Pizzeria vorbeifahre. Ich bekomme solche Lust darauf, dass ich mein Rad abstelle und mir ein Plätzchen suche. Dumm nur, dass der freie Tisch schon zur nächsten Kneipe gehört und ich mit meiner trockenen Kehle schon beim hinsitzen eine Johannesbeerschorle bestellt habe. Zu spät, um nochmal aufzustehen und mich nebenan irgendwo dazusetzen zu können. Aber halb so wild, gibts halt statt Pizza einen Flammkuchen mit Salat. Ich muss schmunzeln, als sich alle fünf Minuten wieder Leute in «meine» Kneipe setzen, obwohl sie auch Pizza möchten. Da ist die Trennung der beiden Restaurants wohl nicht sehr gut gelungen ;-) Durch die Einkauferei und das Nachtessen in Rothenburg bin ich dann erst knapp vor acht beim Camping, kann aber grad noch einchecken und bekomme einen Platz gleich neben der Reception zugewiesen. Das ist sehr ok, denn dort kann ich mir an einer Aussensteckdose später noch meinen Laptop anstöpseln und ein bisschen schreiben. Irgendwann wirds mir aber zu frisch und zu feucht und natürlich bin ich auch mächtig müde und so mache ich gegen Mitternacht wieder Schluss.