Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 19: Donnerstag, 27. Juni 2019
Frrrranggen

Bad Kissingen - Mainschlaufe - Sommerach
[Karte]

Radreise Teil 9 (Tage 19 und 20)

Sight seeing in Bad Kissingen. Über weite Ebenen gehts zur Mainschlaufe nach Sommerau. Weiter auf dem Gaubahnradweg über weite Ebenen und durchs Taubertal bis Rothenburg ob der Tauber.

Um sieben werd ich wach. Ich weiss nicht obs die Sonne, die lauten Vögel oder der noch lautere Verkehrslärm von der Brücke ist. Nur 10 Meter hinter meinem Zelt führt die Bundesstrasse 287 über einer grossen Brücke am Campingplatz vorbei und verursacht doch erheblichen Lärm. Als ich aus dem Zelt krieche ist Schorschi schon am packen. Ich mache auch vorwärts, weil ich noch eine kleine Runde durch Bad Kissingen drehen möchte. Ich bin recht zeitig dran, bezahle den Platz und düse durch den schönen Luitpoldpark in die nahegelegene Stadt. Vor der Kuranlage überquere ich die fränkische Saale und fahre an den prächtigen Hotelbauten, der Trinkhalle und dem Kurpark vorbei Richtung Altstadt. Schon an der ersten Ecke, am Eingang zur Altstadt lacht mir eine Bäckerei mit gemütlichem Strassencafé in der Fussgängerzone entgegen. Schnell entschlossen hole ich mir drinnen einen grossen Kaffee und zwei Stück Kuchen und setze mich draussen an ein Tischchen. Herrlich, nicht selber kochen und abwaschen zu müssen. Wobei ein Frühstück an einem so gemütlichen Ort auch nicht weniger Zeit braucht, denn Hektik wäre hier völlig fehl am Platz. So geniesse ich die vorzüglichen Kuchen, lausche den Gesprächen an den Nebentischen und geniesse einfach das gemütlich Getummel um mich herum. Was für ein Start in den Tag. Die Beschwerden von Gestern sind vergessen.

Rosengarten Bad Kissingen

Rosengarten Bad Kissingen

Natürlich suche ich mir noch einen Cache aus, der verlockend klingt. Heute ist es ein kleiner Multi der mich quer durch die Altstadt und das Bäderquartier führt. Sowas mag ich immer gerne, wenn ich fremde Städte besuche. Man spaziert dann nicht so ziellos durch die Strassen und kommt oft an erstaulichen Orten vorbei, die man ohne Geocaching vielleicht nicht entdeckt hätte. Leider sind die Stationen bei diesem Multi aber nicht sonderlich spektakulär, aber am Ende machts trotzdem Spass und ich habe zumindest das Gefühl, die meisten Ecken der verkehrsberuhigten Altstadt und das Bäderquartier gesehen zu haben. Das Kurviertel mit seinen alten und gepflegten Gebäuden und Hotels hat es mir besonders angetan. Der Kurpark ist wunderschön und schon gestern wunderte ich mich, als ich hier auf dem Weg zum Campingplatz vorbei fuhr, über die vielen, zu einem grossen Gebäude hin ausgerichteten weissen Bänke. Natürlich gehören solche Sitzgelegenheiten in jeden Kurpark, aber hier sah es mehr nach Kirchenbestuhlung aus. Darum möchte ich mir das heute nochmal etwas genauer anschauen und schiebe wegen Fahrverbotes mein Rad durch den Kurpark. Bei den weissen Bänken fällt mir nun auch die Konzertbühne auf, die ins dahinterliegende Gebäude integriert ist. Im Gegensatz zu gestern, sind schon viele Plätze von den Kurgästen belegt. Natürlich kommt da schnell der Verdacht auf, dass hier bald etwas passieren wird. An einer Infosäule mit Wetterstation finde ich dann auch das Kur-Programm und dort steht, dass täglich um 10:30 ein Kurkonzert stattfindet. Ich liebe solche Dinge, auch wenn ich nicht der Musikspezi fürs Klassische bin, aber hier reizt mich diese gemütliche und spezielle Atmosphäre sehr. Zweimal täglich finden hier Kurkonzerte statt und ich erfahre, dass das Ensemble fest engagiert ist. Was ich ganz toll finde ist der Fakt, dass die Konzerte kostenlos sind. Allerding wird man aufgefordert seine Kurkarte vorzuweisen, die man als Übernachtungsgast aber ausgehändigt bekommt. Da ich meine Geocaching-Runde noch nicht ganz abgeschlossen habe und ich noch etwas Zeit habe, bis das Konzert beginnt, ziehe ich nochmal los und sammlte die Infos zu den letzten beiden Stationen. Es ist nur ein kleiner Abstecher zum hinteren Eck des Kurgartens und ein Sprung über die Strasse zum Rosengarten. Auch dies eine sehr schön angelegte Anlage mit einem Wasserspiel in Zentrum des Gartens. Das Ganze ist eingesäumt von vielen verschiedenen Rosenbeeten. Als ich die fehlenden Infos beisammen habe, gehts wieder zurück zur Konzertmuschel wo ich mir einen der letzten Schattenplätze ergatteren kann. Ich komme gerade noch rechtzeitig zum Konzertbeginn. Ein im schwarzen Anzug schick gekleideter älterer Herr begrüsst die Gäste und wünscht der Zuschauerschar, die inzwischen die Bankreihen gut gefüllt hat, viel Vergnügen. Einer der Bläser steht vor jedem Stück auf und rezitiert ein Gedicht oder einen schönen Spruch und sagte dann das nächste Stück an. Ich fühle mich in eine völlig andere Zeit versetzt und male mir gerade aus, wie es hier wohl vor über hundert Jahren zu und hergegangen ist. Ich sitze da und geniesse diesen Moment für bestimmt zwanzig Minuten. Ich glaube, wenn ich alt bin, komme ich hier nach Bad Kissingen zur Kur und lasse es mir gut gehen. Ich erfahre über Wiki noch zwei interessante Dinge: Die «Muschel» in der das Orchester sitzt, lässt sich um 180 Grad drehen. Wenn das Wetter schön ist, ist die Muschel nach aussen zum Kurpark hin geöffnet, bei schlechtem Wetter ist sie einfach nach innen gedreht und so können die Konzerte aus der schönen und grossen Wandelhalle im Trockenen genossen werden. Dann lese ich noch, dass das Orchester im Guiness Buch der Rekorde steht. Es ist das Orchester mit den meisten Auftritten pro Jahr. Der Weltrekord datiert aus den Jahren 2010 bis 2011 wo innerhalb eines Jahres 727 Auftritte gezählt wurden. In der Tat eine respektable Zahl an Aufrtitten.

Trinkhalle

Trinkhalle

Eigentlich möchte ich nach dem Konzert losfahren, aber mir fällt wieder ein, dass ich noch von der schönen Trinkhalle und den speziellen Quellen gelesen hatte und möchte darum dieser Sache auch noch schnell nachgehen, obwohl es schon wieder Mittag ist. Angrenzend zur Wandelhalle mit der Konzertbühne, befindet sich die Trinkhalle. Darin sind zwei der Quellen in einem vertieften Becken gefasst. Um dieses Becken herum, stehen wunderbar alte Kupferleitungen mit goldigen Hahnen, wo man sich, wenn das ganze denn geöffnet ist, seine Portiönchen gesunden Wassers herauslassen kann. Das bunte Glasdach lässt viel Licht in die Halle und verleit dem ganzen eine tolle Athmosphäre. Ein kleines Bijou, wie es heute bestimmt nicht mehr gebaut würde. Das Problem dieser gesunden Wässerchen ist einfach, dass sie kaum geniessbar sind. Die einen sind viel zu salzig, die anderen so eisenhaltig, dass ich mich schon fast überwinden muss, den einen Schluck nicht gleich wieder auszuspucken ;-) Als ich dann endlich alles gesehen habe, was ich sehen wollte, gehts doch noch los. Es ist inzwischen nach eins und ich muss mich langsam sputen. Ich möchte ja noch ein paar Kilometer vorwärts kommen.

Hinter Bad Kissingen

Hinter Bad Kissingen

Nach Bad Kissingen wird es schnell wieder grün und einsamer. Die Strecke folgt am Anfang weiter der fränkischen Saale. Ein paar fiese kurze Steigungen lassen den Puls hochschnellen und den Schweiss wieder fliessen. Die Temperaturen sind aber bedeutend angenehmer als gestern. Was da ein paar Grad ausmachen ist schon verrückt. Irgendwann zweigt dann der Weg scharf nach rechts ab und führt in den Wald hinein. Es folgt eine fiese 15%-Steigung auf einem ungeteerten Waldweg, die ich nur ganz knapp schaffe, ohne absteigen zu müssen. Uff... Die weitere Strecke ist dann ganz schön zu fahren, aber nichts spektakuläres. Es geht über weite Ebenen, vorbei an Feldern und Feldern und Feldern ;-) Bei einem kurzen Stopp bei Stage 17, auf den ich fast 150 km lang warten musste, öffnet sich ein weiter Blick über die Ebene und in der Ferne sieht man die Kühltürme des stillgelegten Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld.

Stage 17

Stage 17

Schweinfurt lass ich links liegen und nach nicht allzu langer Fahrt erreiche ich den Main und freue mich, als ich realisiere, dass ich hier den Main mit einer kleinen Fähre überqueren muss. Mir macht sowas immer Spass und freudig schiebe ich mein Rad auf das kleine Boot, das nicht viel mehr als vier Autos aufs mal transportieren kann. Der Kapitän ist ein bisschen mürrisch und nicht sehr gesprächig. Als ich ihm den Euro für die Überfahrt hinstrecke, weist er nur mit einem unbedarften Wink auf seine Zigarette in der Hand hin und gibt mir zu bedeuten, dass die jetzt erst mal Vorrang hat. Tja... viel mehr Lust, ihm noch ein paar Fragen zu stellen verspüre ich danach nicht mehr. Das gute an diesem Tag ist, dass ich ab Volkach in kurzer Distanz noch drei weitere Campingplätze anfahren kann. Das macht es für einmal einfach, zeitig irgendwo anzukommen. Volkach ist wieder ein wunderschönes Städtchen. Überall kann man Wein direkt bei den Produzenten degustieren. Viele Restaurants säumen das Hauptgässchen, das autofrei ist und die Kneipen sind auch gut besucht. Mainschlaufe nennt sich dieses Gebiet hier. Es lebt hauptsächlich vom Weinbau und heute bestimmt auch zu einem grossen Teil vom Tourismus. Es ist hier unheimlich schön. Die Rebberge die die Hänge zieren, dann die hübschen kleinen Weindörfer und der Fluss, der sich in seiner kleinen Senke durch diese herrliche Landschaft schlängelt, einfach pitorresk. Für eine Übernachtung in Volkach ist es mir noch ein kleines bisschen zu früh und so fahre ich zum nächsten Campingplatz, der keine fünf Kilometer weiter folgt. Da ich noch einkaufen möchte, im Dorf mit dem zweiten Campingplatz aber keinen Supermarkt gesehen habe, entscheide ich mich, nochmal weiter zu fahren und das ist dann wohl ein Glücksfall. Zwar gibts in Sommerach auch keinen Supermarkt, aber das Städtchen ist so malerisch, dass ich mich gleich in diesen Ort verliebe. Viele herausgeputzte Fachwerkhäuser säumen den Dorfkern. Zwei Tore öffnen den Weg ins alte Zentrum und auch hier laden ein paar gemütliche Restaurants, mit grossen Terrassen auf der verkehrsberuhigten Strasse zum schlemmen ein. Nachdem ich auf dem Weg zum Campingplatz schon durchs Städtchen gefahren bin und diese gemütlichen Kneipen sah, entscheide ich mich spontan, dort auch Abendessen zu gehen. Ich bin heute mal zeitig dran und bekomme einen tollen Platz, direkt am Wasser zugewiesen und habe rund um mich kein weiteres Zelt oder Wohnwagen. Herrlich.

Sommerach

Sommerach

Gegen halb acht bin ich dann frisch geduscht und ready fürs Abendessen und radle wieder ins Städtchen hoch. Das dauert keine fünf Minuten. Wahrscheinlich zwei ;-) Das Restaurant zum weissen Lamm sticht gegenüber den anderen Lokalen etwas heraus. Es sieht sehr gemütlich aus, zudem sind alle Tische besetzt. Ich fahre erst weiter, schaue noch, wie es in den anderen Restaurantss ausschaut, aber die überzeugen mich nicht so und so fahre ich nochmal zurück und sehe noch zwei freie Stühle an einem grossen Tisch. Ich frage, ob ich mich dazu setzten darf und die netten Herrschaften willigen ein. Es entsteht ein angeregtes Gespräch und ich geniesse einen gemütlichen Abend. Das Paar zu meiner linken kommt aus dem fränkischen und empfielt mir die «Löffele». Ein Stück Fleisch mit Knochen, das besser nicht sein könnte. Weiss nicht genau, was für ein Stück das ist, aber ist mir eigentlich egal. Dazu gibts einen Kartoffelknödel, der sehr gummig wirkt, aber fantastisch schmeckt. Nur für dieses Gericht hat sich der Ausflug ins Städtchen schon gelohnt. Die zwei Franken gehen dann etwas früher und mit dem Paar aus dem Pott, das zu meiner rechten sitzt, unterhalte ich mich noch lange, bis wir den Abend mit zwei Absackern beschliessen. Danach sind wir aber alle reif fürs Bett und radeln gemeinsam zurück zum Campingplatz. Den Namen der Frau habe ich bereits wieder vergessen, aber an seinen mag ich wenigstens noch erinnern. Er heisst Viktor, ist Futterhändler und tingelt im Pott seinen Landwirten hinterher. Die beiden sind mit dem Wohnmobil unterwegs, müssen am Morgen aber gleich um halb acht wieder los, weil Viktor wieder arbeiten muss. Ans Tagebuch schreiben ist jetzt natürlich nicht mehr zu denken. Der lustige Abend mit den beiden Ehepaaren wird mir aber auf jeden Fall in bester Erinnerung bleiben. Schön müde und mit einem Damenräuschchen lege ich mich ins Bett und schlafe schnell ein.

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