Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 18: Mittwoch, 26. Juni 2019
Flasche leer: Heisser gehts nimmer!

Ehrenberg (Rhön) - Rhön - Urspringen - Bad Kissingen
[Karte]

Radreise Teil 8 (Tage 17 und 18)

Über den Werra-Radweg der alten Innderdeutschen Grenze entlang zum Point Alpha und weiter über die Röhn am heissesten Tag nach Bad Kissingen.

Ich stehe recht zeitig auf. Frühstück gibts keins, weil ich gestern an keinem Supermarkt mehr vorbei gekommen war und es bei diesen Temperaturen einfach keinen Sinn macht, schon Nachmittags um zwei Joghurt oder andere verderbliche Sachen zu kaufen. Die werden in den Satteltaschen dermassen durchgekocht, dass ich habe Angst, dass sie darin explodieren ;-) Meine Tourenplanung war bis jetzt ganz ok. Die Streckenführung hat mir zum grössten Teil gut gefallen, aber trotz allem fehlt mir je länger je mehr der Überblick übers Ganze. Auf Regionen, Nationalparks oder Bundesländer habe ich bei der Planung überhaupt nicht geachtet. Ich habe einfach probiert, die einzelnen Stages möglichst über Radwege erreichen zu können. Im Nachhinein denke ich, dass es für unterwegs ganz hilfreich gewesen wäre, wenn ich die ganze Strecke auf einer klassischen Rad- oder Autokarte eingezeichnet hätte. Damit hätte man Unterwegs immer den Blick fürs Ganze, sähe sofort welche Ortschaften man als nächstes anpeilen kann, für den Fall, dass man die geplante Strecke mal verlassen will oder muss. Vielleicht hätte ich auch besser erkannt, wo es hügelig wird, oder wo es nur öde geraudeaus geht. Nicht dass mich die Aufstiege gestört hätten, aber manchmal ists halt nicht schlecht, wenn man weiss, was als nächstes so kommt, oder wo es vielleicht Alternativen gäbe, usw. Aber ich muss ja für die nächste Tour auch noch ein paar Dinge optimieren können. Nun aber zurück in meinen Radelalltag: Röhn... hmm... hatte ich zwar schon gehört, aber bei der Planung nicht wirklich gecheckt, dass ich da durch fahre und es hier auf 800 Meter hoch gehen kann. Shame on you! Als ich mich auf den Weg mache ist mir natürlich nicht bewusst, dass gleich zu Beginn der heutigen Etappe nochmal ein paar heftige Höhenmeter anstehen. Natürlich gibts in Ehrenberg dann auch keinen Bäcker, geschweige denn einen Supermarkt, wo ich mir was zum Frühstücken holen könnte. So gehts also schon bei zünftiger Hitze gleich mal gute zweihundert Höhenmeter auf meist schottriger Strasse bergauf. Soweit noch ok, aber die Hitze ist am Morgen schon richtig heftig. Die Gegend ist unglaublich schön. Oben auf der Höhe erwartet mich eine wunderbare Heidelandschaft. Kurz nach dem Peak gehts dann bald in sanfter Abfahrt wieder hinunter bis zur Thüringer Hütte. Da ich nur noch warmes Wasser in meinen Flaschen habe, und es heisser und heisser wird, ist die Lust nach einer kühlen Schorle schon riesig und natürlich habe ich auch langsam Hunger. Auf der grossen Terrasse des Restaurants ist noch nicht viel los und die Wirtin hat eben erst damit begonnen, die Sonnenschirme aufzuspannen. Ich bestelle mir zum Frühstück einen strammen Max (Schinkenbrot mit Spiegelei), der mit ein paar Salatblättern und Gurken garniert ist und schütte noch zwei grosse Schorle in mich rein. Jetzt fühl ich mich wieder gut ;-)

Auf der Röhn

Auf der Röhn

Einen guten Kilometer entfernt habe ich mir wieder ein paar Geocaching-Perlen ausgesucht. Ganz in der Nähe davon ist das Röhn Park Hotel. Beim ersten Cache, den ich mir auf die Liste gesetzt hatte, gebe ich auf. Da muss man ein «Mensch ärgere dich nicht» selber spielen, aber die Gefahr sich bei den vorgegebenen Zügen zu verzählen, oder mal mit der falschen Figur zu ziehen ist gross und dann hab ich auch nicht ganz gecheckt, was am Ende zu tun ist, um an die Koordinaten zu kommen. So lege ich dieses Rätsel wieder zur Seite und widme mich einem zweiten Cache der ganz in der Nähe ist. Der ist dann recht spassig und liegt auch auf dem Weg zum Silbersee, den ich zu Fuss umrunden möchte. Der Silbersee ist ein kleines Seelein im Wald, der durch den Abbau von Basalt entstanden ist. Ich habe mein Rad oben bei einem Rastplatz stehen gelassen und mache diese Runde zu Fuss. Am Ende bin ich über 1,5 Stunden unterwegs. Damit habe ich nicht gerechnet, aber die Runde um den schönen kleinen Waldsee hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Silbersee

Silberse, durch Basaltabbau entstanden

Als ich dann wieder zurück zum Thüringer Haus fahre, wo ich wieder auf meine Route stosse, merke ich, dass die Temperaturen in den letzten zwei Stunden nochmal ein ganzes Stück gestiegen sind und es nicht einfach nur noch heiss ist, sondern brutal heiss. Die paar Höhenmeter zurück sind auf einemal unglaublich anstrengend. Es folgt dann zwar eine lange Abfahrt, aber auf der Graden unten im Tal wird die Hitze unerträglich und richtig mühsam. Auch die Tage zuvor stieg das Thermometer immer wieder über 30 Grad, aber der Fahrtwind oder Waldpassagen brachten trotz allem immer etwas Abkühlung. Mit Abkühlung ist nun aber gar nichts mehr. Weder Fahrtwind noch Schattenpassagen bringen etwas frische um die Nase. Es ist einfach nur heiss. Ich fühlte mich schon nach meinem Spaziergang um den See schlapp. Immer wieder muss ich kleine Pausen einlegen und kaufe mir in jedem Kaff, wo es einen Laden gibt, etwas zu trinken. Als ich an einer Bäckerei vorbei komme, halte ich wieder an, um mir schnell eine Apfelschorle zu holen, bleibe dann aber eine gute halbe Stunde sitzen, trinke zwei grosse und herrlich kühle Limos und verdrückte ein grosses belegtes Brot und einen Apfelkuchen. Die Hitze erscheint mir nach dieser Pause dann nochmal heftiger geworden zu sein und ich versorge mich noch im gleichen Dorf gleich nochmal mit weiteren Getränken und Wasser.

14:10 Uhr. Letztes Foto des Tages. Trinken, trinken, trinken...

14:10 Uhr. Letztes Foto des Tages. Trinken, trinken, trinken...

Der nächste Campingplatz in Bad Kissingen liegt noch ca. 50 km weit weg und ich beginne, wo immer möglich, die Radwege zu meiden, da die sehr oft im Gegensatz zu den Haupt- oder Nebenstrassen unnötige Bögen schlagen. Wenns nicht eilt ist das ok, wenn man kein spezielles Ziel hat auch, aber wenns so Scheisse heiss ist und man schon am Limit läuft, wird das extrem nervig und die Etappe wird grad echt zu einer richtig grossen Herausforderung. So kämpfe ich mich bis nach Bad Neustadt an der Saale und versuche überall, wo ich auf dem GPS auf meinem Track solche unnötigen Umwege entdecken kann, diese abzukürzen. Es ist mir im Moment auch völlig egal, ob das eine vielbefahrene Hauptstrasse ist, Hautpsache auf möglichst direktem Weg nach Bad Kissingen. Mich interessiert kein Cache mehr, kein schönes Stadtzentrum und ich mache auch keine Fotos oder Videoaufnahmen mehr. Ich sehne mich nur nach kühlen Getränken, einer Dusche und einem Liegeplatz. Schon vor Bad Neustadt an der Saale fallen mir bei einer kleinen Rast mal fast die Augen zu. Als ich dann weiter fahre, merke ich, dass ich auch während dem Fahren Mühe mit dem Wachbleiben habe. Das ist mir noch nie passiert. Trotz körperlicher Betätigung habe ich das Gefühl, jeden Moment einzuschlafen. So sehe ich mich genötigt, Anfangs Bad Neustadt einen schattigen Ort zu suchen, wo ich mich hinlegen kann, bevors gefährlich wird. Die erste Möglichkeit, ist eine schattige Bank an einer Einfallstrasse. Ich packe mein aufblasbares Kopfkissen aus, lege mich hin und schlafe nach einer gefühlten halben Minute ein. Allzu lange nicke ich aber nicht weg, aber es hat unheimlich gut getan und ich fühle mich nach diesem Power nap merklich besser. Ich gebe mir nochmal einen Ruck und quäle mich bis nach Bad Kissingen durch. Von einem Abstecher in die Altstadt von Bad-Neustadt sehe ich natürlich ab. Das interessiert mich im Moment überhaupt nicht. Fies ist, dass ich auf meinem GPS wohl wegen eines Updates das buggy ist, nicht normal navigieren kann, sondern immer nur die Distanz in Luftlinie zum Ziel sehe. In diesem Fall ist das extrem irreführend, da zwischen Bad Neustadt und Bad Kissingen die fränkische Saale sich in riesen Bögen durch die Landschaft mäandert. So ist der Weg natürlich ein ganzes Stück länger, als mir das in Luftliniendistanz angezeigt und Abkürzen kann ich in diesem Flusstal auch keinen Meter. Gegen sieben erreiche ich dann ziemlich erschöpft den Campingplatz. Ich kann mich auf der Zeltwiese, die direkt unter einer etwas lärmigen Brücke liegt installieren. Uff... endlich da, alles gut... und dann kommt Schorschi: eine sympatischer und fitter Tourenfahrer, der mich anquatscht. Ich schätze ihn so um die 70 und er erzählt mir, dass er schon ein Weilchen unterwegs sei. Wir unterhalten uns ganz nett, aber irgendwann muss ich ihm sagen: «Sorry, ich möchte nicht unfreundlich sein, aber ich hab mein Zelt immer noch nicht fertig aufgestellt und möchte nur eins: unter die Dusche. Lass uns doch nachher weiter quatschen.» Er versteht und marschiert davon, zum kleinen Biergarten auf dem Campingplatz. Ich baue meinen Krempel fertig auf und kann dann endlich die erlösende Dusche nehmen. Ein Wohlgenuss, der meine Lebensgeister wieder zurückkehren lässt. Da ich eh nichts zu essen und zum kochen mehr dabei habe und auch keine Lust und Kraft dafür hätte, setze ich mich zu Schorschi in den Biergarten und bestellte mir «Schnitzel Wiener Art mit Paprikasauce und Salat». Ist grad noch ok, aber ein Hochgenuss ist es nicht. Ich unterhalte mich ein ganzes Weilchen mit Schorschie. So nennt er sich selber in seinen Geschichten die er erzählt. Und er hat viel zu erzählen. Er ist mit seinem Rad schon durch halb Europa gefahren. Als er dann noch einen kurzen Spaziergang Richtung Stadt machen will, bin ich auch nicht böse und setze mich rüber ins Restaurant, wo ich nach einer freien Steckdose frage, nochmal einen halben Liter Limonade bestelle und meine Tagebucheinträge nachführe. Ich habe schon beim Abendessen einen Liter Limo getrunken, aber das reicht heute nicht. Ich bin froh, dass ich wenigstens die vorletzten beiden Tage nachschreiben kann, für den heutigen Tag reicht die Energie und Zeit aber nicht mehr. Eben höre ich die Kirchenglocken Mitternacht schlagen und leg mich schlafen.

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