Tag 17: Dienstag, 25. Juni 2019
Point Alpha
Lauchröden (Ruine Brandenburg) - Werraradweg - Point Alpha - Ehrenberg (Rhön)
[Karte]
Radreise Teil 8 (Tage 17 und 18)
Über den Werra-Radweg der alten Innderdeutschen Grenze entlang zum Point Alpha und weiter über die Röhn am heissesten Tag nach Bad Kissingen.
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Als ich aufwache mache ich zügig Frühstück. Ich habe ganz gut geschlafen, aber die Katzenwäsche ist einfach nichts, im Vergleich zu einer richtigen Dusche. Etwas verklebt stehe ich auf und freu mich aufs Müsli und den Kaffee. Inzwischen hat sich der «grosse Bauer» als mein Lieblings-Joghurt etablieren können. Die Mischung Heidelbeer, schwarze Johannisbeere passt vorzüglich und die Portion ist so gross, dass ich mir immer zwei, drei Löffel zum Dessert aufsparen kann. Das Joghurt und die Milch habe ich gestern Abend erst gekauft, so bestand auch keine Gefahr, dass bei der Hitze etwas sauer wird. Dann baue ich mein Zelt ab, packe und schaue mir den Teil der Burg noch an, den ich gestern noch nicht gesehen hatte. Im Turm gibts sogar ein Museum, das aber nur auf Anmeldung geöffnet wird. Vom Rest der mächtigen Doppelburg existiert nur noch ein zweiter Turm, der aber nicht bestiegen werden kann und altes Gemäuer.
Herrliches Wildcampen auf der Ruine Brandenburg
Für heute sind eigentlich keine Besichtigungs-Stopps geplant, aber natürlich kommt es wieder anders. Den ersten kurzen Halt mache in Untersuhl. Weil der Radweg wegen Bauarbeiten gesperrt ist, werde ich umgeleitet und dabei fällt mir ein eigenartiger runder Turm auf, auf dem vier kleine Türmchen aufgesetzt sind. Die Lage mitten im Dorf und die Uhr auf der einen Seite deutet auf eine Kirche hin. Mich packt die Neugier und ich darum verlasse ich die Umleitung und fahre Richtung Rundturm. Als ich dann vor dem Objekt stehe bin ich mal wieder sprachlos. Der vermeintliche Kirchenturm ist Turm und Kirche in einem, man nennt das Zentral- oder Rundkirche. Sowas habe ich noch nie gesehen und ich freue mich, dass die Kirche offen ist und ich mir auch von innen ein Bild davon machen kann. Ebenerdig sind wie in einer normalen Kirche, links und rechts vom Mittelgang etwa acht Bankreihen angeordnet. Vorne ist ein kleiner Chor mit Kanzel und Taufstein. Der Eingang liegt wie üblich gegenüber des Chores. Des weiteren sind zwei Emporen angebracht. Die untere ist nicht ganz geschlossen, sondern endet links und rechts vom Chor um ihm genügend Höhe zu geben. Auf der oberen Empore über dem Eingang steht die Orgel. Sie umschliesst im Gegensatz zur Unteren, den Rundbau komplett. Ich bestaune mit offenem Mund diese tolle Bauwerk und freue mich, dass ich diesen speziellen Ort per Zufall entdeckt habe.
Rundkirche Untersuhl
Das nächste was mir dann auf dem weiteren Weg ins Auge sticht, ist der Monte Kali. Es handelt sich dabei um einen bis zu 200 Meter hohen Abraumberg. Weiss leuchtend und einfach riesig. Seit über hundert Jahren wird hier im Werratal Kali im Untertagebau abgebaut. Die nicht verwertbaren salzhaltigen Reste werden dann auf diesen riesigen Halden abgelegt. Man kann sogar eine geführte Tour buchen und diesen künstlichen Berg besteigen. Die Aussicht soll toll sein und natürlich würde ich dort am liebsten gleich hinauf steigen, aber das kann man nur, wenn man eine Tour bucht. Hätte ich davon schon früher gehört, hätte ich mich vielleicht um eine Führung gekümmert, aber jetzt ist das bestimmt zu kurzfristig und da ich zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht gewusst habe, dass man dort überhaupt hinauf kann, fahre ich einfach mit offenem Mund, staunend an diesem künstlichen weissen Monster vorbei. Ich entscheide mich dann für einen Besuch im Bergbaumuseum im nächsten Dorf. Eine schöne Ausstellung, wo mir aber auch wieder Zeit und Musse fehlt, mich ausführlich damit zu beschäftigen. So marschiere ich relativ zügig durch die verschiedenen Räume und habe am Ende trotzdem wieder über eine Stunde Zeit gebraucht. Mir ist klar, dass einige meiner zusätzlichen kleinen Abstecher nicht alle lohnenswert waren. Diese Ausstellung hat mich jetzt auch nicht so gefesselt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Trotzdem wars interessant und so weiss ich nun zumindest, was ich nicht verpasst habe ;-) Hätte ich hier keine Zeit investiert, hätte ich mich wohl immer gefragt, was es im Museum interessantes zu sehen gab. Auf jeden Fall habe ich gelernt, dass Kali ein sehr spannendes Produkt ist. Kaum zu glauben, wofür man das alles brauchen kann. Zur Herstellung von Schwarzpulver, als Dünger, Putzmittel und und und.
Inzwischen sind die Temperaturen in unangenehme Höhen gestiegen. Besonders als ich mich nach einer Vesperpause entscheide, hinauf zu Point Alpha zu fahren, wird die Hitze zur Qual. Point Alpha ist ein alter Beobachtungsposten vom US-Militär. Er liegt auf einer Anhöhe bei Geisa direkt an der ehemaligen Grenze zur DDR. Ein paar Fragmente der alten Grenzanlagen sowie ein alter DDR-Wachturm stehen heute noch als Mahnmal hier. Ein Betonturm, der in den 80er Jahren innerhalb der US-Zone aufgestellt wurde, prägt das Bild von Point Alpha. Von hier aus wurde tatsächlich beobachtet, ob der Warschauer Pakt irgendwelche verdächtigen Bewegungen macht. In den ehemaligen Baracken der Soldaten wurde ein interessantes Museum mit vielen Fotos und Zeitdokumente eingerichtet. In Bild und Ton wird die damalige Situation geschildert und natürlich wird auch die politische Lage vor und nach dem Fall der Mauer behandelt. Viele Dinge die in meiner Jugend passierten und die ich als Kind oder Teenager zum Teil nur am Rande mitbekommen habe, treten wieder in mein Bewusstsein: Der kalte Krieg, die Kaffeepäckchen die meine Eltern an irgendwelche um sieben Ecken Bekannte zu Weihnachten in die DDR schickten, dieser komische Herr Honecker, Udo Lindenberg mit seinem Sonderzug nach Pankow oder Herr Gorbatschow und vieles mehr. Auch hier bin ich wieder sehr knapp dran und habe grade noch eine Stunde Zeit mir Point Alpha und das Haus auf der Grenze anzuschauen. Bei letzterem husche ich dann nur noch schnell durch die Räume, welche hinter mir dann gleich geschlossen werden. Um 18 Uhr fahre ich den steilen Hügel wieder hinunter nach Geisa und folge meiner Route.
Alte Grenzanlage bei Point Alpha
Weitere Stopps kann ich mir heute nicht mehr leisten, wenn ich noch einen Zeltplatz bekommen möchte. Mein GPS zeigt noch über 20 km Luftlinie bis zum Ziel. In der Regel sind das dann auch gerne mal 25 Kilometer oder mehr. Was ich nicht gecheckt hatte war der Umstand, dass der Campingplatz in Ehrenberg (Röhn) auf über 600 Meter Höhe liegt. Da kommen also noch gut 300 Meter Aufstieg dazu. Die eineinhalb Stunden geplante Fahrzeit sind unter diesen Umständen natürlich nicht mehr realistisch und ich bin dann auch noch über zwei Stunden unterwegs. Um viertel nach acht hab ichs dann geschafft und muss den Platzwart per Telefon rufen. Ein lustiger Typ, der auf den ersten Blick sehr bieder wirkt, begrüsst mich und fragt gleich als erstes, ob ich am Morgen Sonne oder Schatten bevorzuge. Ich schmunzle und antworte ihm, dass mich das noch nie jemand gefragt hat, ziehe aber einen Sonnenplatz vor, damit das Zelt schneller trocknen kann. Er weist mir dann einen entsprechenden Platz gleich hinter dem Campinggebäude zu und meint dass ich schon mal mein Zelt aufstellen solle, er komme dann nochmal vorbei. Tatsächlich taucht er nach ein paar Minuten mit einem Stuhl in der Hand auf und meint zu mir, dass ich sicher eine Sitzgelegenheit brauchen könne. Ich nehme sein Angebot dankend an und meine dann zum Scherz: «Dann können sie mir auch gleich noch ein Piccolöchen bringen, bei diesem tollen Service». Er schmunzelt und verduftet, um nur einen Augenblick später mit Piccolo und Plastik-Flute wieder zurück zu kommen. Dabei meint er dann nur: «Das ist offeriert, weil das Getränk nicht gekühlt ist.» Ach, wie ich solche kleine Episoden liebe. Einfach köstlich. Zwei Berliner, die zwei Plätze weiter mit einem alten VW-Bus unterwegs sind, kommen dann zu mir und fragen mir ein Loch in den Bauch, wegen meiner Radtour. So quatschen wir ein ganzes Weilchen und ich geniesse dazu meinen lauwarmen Sprudel. Abendessen gibts heute keins. Aber das ist nicht weiter tragisch, denn ich habe heute so viel getrunken, dass ich gar keinen Hunger habe. So habe ich für einmal auch kein grosses Durcheinander vor meinem Zelt, weil ich nicht alle Taschen auspacken muss. Da ich mit dem Tagebuch schon wieder in Verzug bin, versuche ich noch ein bisschen zu schreiben, scheitere aber an zu grosser Müdigkeit. Es ist wieder nach Mitternacht, bis ich mich in den Schlafsack lege.