Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 16: Montag, 24. Juni 2019
Burgen und Ruinen

Mühlhausen - Nationalpark Hainich - Creuzburg - Eisenach - Wartburg - Lauchröden (Ruine Brandenburg)
[Karte]

Radreise Teil 6 (Tage 13 und 14)

Besuch bei Freunden in Mühlhausen, Ausflug ins Grenzlandmuseum Eichsfeld. Weiterreise durch den Hainich Nationalpark, Werraradweg, Wartburg, Eisenach.

Der Wecker klingelt mich um sieben aus dem Schlaf, aber ich mag noch nicht und geb ihm noch zwei weitere Chancen. Dann gebe ich mir aber einen Ruck und stehe auf. Ich hatte es gestern Nacht nicht mehr geschafft, meine Sachen zu packen, da ich viel zu müde war. Somit ist das Zusammenräumen und Packen die erste Aktion des Tages und schon fast ein bisschen Ritual. Bis alles wieder am rechten Ort ist, braucht es auch ohne Zelt ein Weilchen, denn es gibt nichts schlimmeres, als wenn man einen Gegenstand blindlings in eine der sechs Taschen steckt, die mein Grundgepäck bilden. Das sind je zwei Satteltaschen vorne und hinten, dann ein grosser Sack mit dem Zelt auf dem Gepäckträger und die Lenkertasche. Unvorsichtig weggepacktes findet man unterwegs bestimmt nicht mehr, wenn man es dann irgendwann mal braucht und da dann alle Taschen zu durchsuchen kann extrem nervig sein. Deshalb macht eine Ordnung an die man sich gewöhnen kann schon sehr viel Sinn.

Oben ists ziemlich ruhig. Die zwei grossen Mädels sind schon in die Schule gegangen und Martin sitzt vor seinem Computer in seinem Büro. Als ich dann erscheine, setzen wir uns zusammen an den Frühstückstisch und verdrücken noch ein paar Stücke von Karins leckerem Schmandkuchen. Der passt prima zum Kaffee und liefert bestimmt auch viel Energie, die ich als Radler ja gut brauchen kann ;-) Kurz vor meiner Abreise fällt uns dann noch ein, dass wir meinen Bikeschuh noch leimen wollten. Beim rechten Schuh löste sich die Verbindung der «Bodenplatte», wo die Klicker festgeschraubt sind. Als Schnellfix schmiert Martin etwas Patex drauf und lässt es ein paar Minuten trocknen. Ich wär ganz froh, wenn die Schuhe bis zum Ende der Tour halten würden, denn gute Bikeschuhe sind für meine Füsse nicht einfach zu finden. Also bisschen vorsichtig damit umgehen und hoffen dass diese provisorische Kleberei hält. Danach verabschiede ich mich von den Beiden und fahre zuerst nochmal kurz in die Altstadt, weil ich gestern kaum ein Foto gemacht hatte. Ich hol mir als letztes dann noch ein Eis und verlasse dann Mühlhausen auf dem Unstrut Werra Radweg.

Stadttor Mühlhausen

Stadttor Mühlhausen

Es geht bald durch herrliche Landschaften südwestwärts. In Langula wechsele ich auf die Rote Rad-Route des Hainich Nationalparks. Das schöne ist, dass dieser Radweg direkt zur nächsten Station auf meiner angestammten Route führt. Die angesagte Hitzewelle macht sich schon bemerkbar. Der Hainich Nationalpark ist vorwiegend Waldgebiet und liegt gut hundert Meter höher als Mühlhausen. Anfangs ist der Aufstieg sehr mühsam, weil er in der prallen Sonne liegt und über Kieswege führt. Hat man dann aber den Höhenzug erreicht, wird es eben und die weitere Strecke führt durch den etwas kühleren Wald. Dort gibt es ein paar lustige Dinge zu sehen. Zum einen die eiserne Hand. Ein Wegweiser der schon vor über 500 Jahren hier aufgestellt wurde, um den damaligen Reisenden mittels einer Hand, die verschiedenen Richtungen anzuzeigen. Heute steht hier eine Replik des Originals und zeigt einem immer noch den richtigen Weg anhand der Fingerstellungen. Die Haltung der Finger ist ein bisschen strange. Ich weiss nicht, ob ich diese Haltung nachmachen könnte, aber das muss ja auch nicht sein. Hauptsache der Wandersmann weiss, welchem Weg er folgen muss. Die Tafel darunter gibt das Ziel jeden einzelnen Fingers an. Eine lustige Idee, die ich so noch nie gesehen habe. Als ich ein Stück weiter fahre, komme ich an der Betteleiche vorbei. Eine 600 bis 800 Jahre alte Stieleiche, die eines der Wahrzeichen des Parkes ist. Der Sage nach soll sich in einer Nische des Baumes ein Opferstock befunden haben, die Mönche des nahegelegenen Klosters in den Baum geschlagen haben. Durch Verwitterung und Wachstum erweiterte sich dieses Loch und teilte den Baum. Ein verrücktes Kunstwerk, dass die Natur hier geschaffen hat. Ich geniesse für eine kurze Pause diesen Ort und die Frische des Waldes und folge dann weiter meinem Weg.

Was jetzt? Links oder Geradeaus? | Betteleiche

Was jetzt? Links oder Geradeaus? | Betteleiche

Endlich gibts mal eine etwas längere Abfahrt, hinunter nach Lauterbach. Hier bekomme ich ein Durcheinander mit meinen gespeicherten Routen im GPS. Die ursprünglich geplante Route kreuzt sich hier mit meinem Weg und ich bin mir plötzlich nicht mehr sicher, welcher Linie ich jetzt folgen muss, damit ich weiter komme und nicht wieder zurück in den Hainichwald radle. Aber ich finde dann den richtigen Weg und folge nun der Werra. Zu Beginn verläuft der Weg oft im Wald, was die Hitze erträglicher und das Fahren recht angenehm macht. Immer wieder sieht oder hört man durchs Geäst Kanufahrer, die auf der langsam fliessenden Werra talauswärts rudern. Ein paar nette Dörfchen liegen am Weg und entzücken mich. In Creuzburg fahre ich schnell ins Dorf, auf der Suche nach einem Supermarkt, finde aber nichts, entdecke dafür einen schönen alten Dorfkern. Auf dem Weg zurück auf meine Route überquere ich dann noch die alte Werrabrücke. Ein Bauwerk, das schon 1223 erbaut wurde und heute die älteste erhaltene Natursteinbrücke in den östlichen Bundesländern ist. Am östlichen Ufer steht eine fast ebenso alte Kapelle. Am Ende des zweiten Weltkrieges wurden zwei der Brückenbögen von der Wehrmacht gesprengt. Der Wideraufbau dauerte bis 1952. Für den Autoverkehr wurde 1986 eine neue Brücke hundert Meter südlich davon errichtet. Heute steht das Bauwerk unter Denkmalschutz und wurde 1992/93 für zwei Millionen Mark instand gesetzt. Einen Augenblick später sticht mir dann die Werratalbrücke ins Auge. Die Autobahnbrücke überspannt hier das ganze Werratal auf einer Länge von über 700 Metern und ist 85 Meter hoch. Ein mächtiges Bauwerk, dass schon von weitem sichtbar ist. Eigentlich wollte ich aus zeitgründen Eisenach und die Wartburg links liegen lassen, aber wie so oft, kann ich es dann doch nicht bleiben lassen und entscheide mich, für einen gut zehn Kilometer langen Abstecher nach Eisenanch und hinauf zur Wartburg.

Alte Werrabrücke

Alte Werrabrücke

In Eisenach gibt es nicht so viel zu sehen, wie ich gedacht hatte. Vielleicht habe ich das Zentrum auch nicht ganz getroffen. Dafür verliere ich keine Zeit mit herumgucken und quäle mich dann gleich mit meinem schweren Rad die sehr steile Strasse zur Wartburg hoch. Da schiesst der Schweiss nochmal aus allen Löchern. Oben angekommen, stelle ich mein Rad beim Parkplatz ab und frage den Parkwächter, ob sich eine Besichtung der Wartburg lohnen würde. Er meint natürlich ja, sagt aber auch, dass ich mich sputen müsse, denn in zehn Minuten beginne die letzte Führung. Ich mag nicht stressen und sage mir, wenn ich noch ein Ticket bekomme, mach ich die Führung, wenn nicht, ists auch gut. Das Schicksal entscheidet sich dann für die Führung. Just um 17 Uhr stehe ich an der Kasse und die nette Dame drückt mir das letzte Ticket des Tages in die Hand und weist mir den Weg zum Sammelpunkt. Die Tour dauert rund eine Stunde und der Ticketpreis und die investierte Zeit lohnen sich auf jeden Fall. Die Wartburg ist in der Tat ein beeindruckendes Bauwerk, das vor allem im 19. Jahrhundert aus einem Dornröschenschlaf geweckt und mächtig aufgepimpt wurde. Viele verzierte und kunstvoll geschmückte Räume sind erst im letzten Jahrhundert so ausgestattet worden, wie man sie auch heute noch bestaunen kann. Der Führer macht einen super Job und erzählt die Geschichte der Wartburg sehr detailliert und mit Freude. Er ist leidenschaftlich bei der Sache und das macht seine Erläuterungen so lebendig und kurzweilig. Oft ist das bei solchen Führungen nicht der Fall und man merkt den Guides an, wenn sie nur auswendig gelerntes Wissen weitergeben. Leider bin ich extrem müde und habe während der Führung einen heftigen Durchhänger. Ich hab Mühe, die Augen offen zu halten und würde mich am liebsten in den kühlen Räumen irgendwo auf ein Bänkchen hinlegen und ein halbes Stündchen ein Nickerchen machen. Ich bin aber tapfer und kämpf mich bis zum Ende der Führung durch ;-)

Auf der Wartburg

Auf der Wartburg

Bis ich wieder in Hörschel bei der Werratalbrücke bin, wo ich meine Route ein paar Stunden vorher verlassen hatte, ist es schon wieder halb acht. Einen offiziellen Camping erreiche ich heute nicht mehr. So nehme ich mir vor, bis ca. neun Uhr weiterzufahren und dann nach einer geeigneten Übernachtungsstelle zu suchen. Bei Lauchröden komme ich dann an einem Cache vorbei, den ich mir bei der Planung heraus gesucht hatte und nehme den dann gleich als Startpunkt für die Übernachtungsplatz-Suche. Ich weiss, dass der Cache unten an der alten Grenzbrücke beginnt und dann wohl zur Ruine Brandenburg hinauf führt. Ich denke, dass es dort oben bestimmt ein gemähtes Stück Wiese gibt, wo ich mich installieren kann. Die Ruine steht von der Abendsonne angeleuchtet auf einer Anhöhe über dem Dorf und auch ohne Cache oder Zeltplatzsuche, hätte es mich gereizt, dort hinauf zu fahren. So starte ich unten im Dorf an der Brücke mit dem Multicache und finde dann tatsächlich vielleicht eine Stunde später, oben bei der Ruine einen zauberhaften Platz für die Übernachtung. Der Burggraben ist immer noch sichtbar und auf der äusseren Anhöhe platziere ich mein Zelt, mit direkter Sicht auf die Burg. Nur ein paar Meter neben dem Zelt steht eine Bank. Immer ein netter Luxus der sich perfekt zum kochen und essen eignet, weil ich dann nicht am Boden auf einer meiner Taschen sitzen muss. Bis ich mich installiert habe ist es halb elf und fast dunkel. Trotzdem koche ich mir noch was zum Abendessen. Dann versuche ich noch ein paar Zeilen zu schreiben, komme aber nicht weit, weil ich zu müde bin. Bis ich ins Bett komme ist es dann wieder halb eins und es dauert nicht lange, bis ich einschlafe.

Nachtlager auf der Ruine Brandenburg

Nachtlager auf der Ruine Brandenburg

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