Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 15: Sonntag, 23. Juni 2019
Voll verpennt

Mühlhausen
[Karte]

Radreise Teil 6 (Tage 13 und 14)

Besuch bei Freunden in Mühlhausen, Ausflug ins Grenzlandmuseum Eichsfeld. Weiterreise durch den Hainich Nationalpark, Werraradweg, Wartburg, Eisenach.

Ich erwache aus einem sehr seltsamen Traum und als ich auf die Uhr gucke, trifft mich fast der Schlag. 10:05! So lange hatte ich im Urlaub noch nie geschlafen. Im Haus herrscht Stille. Zimmermanns sind alle in die Kirche gegangen und haben mir einen Zettel hinterlegt. Mano, ich hab geschlafen wie ein Stein. Zügig steh ich auf und hüpf nochmal schnell unter die Dusche. Es ist schon wieder zünftig heiss. In der Küche hat mir Martin eine Notiz hinterlassen mit ein paar Tipps, was ich mir hier in Mühlhausen anschauen kann. Die sind schön getrennt nach Altstadt, bzw. Stadtzentrum und ein paar Orten ausserhalb. Dazu steht der leckere Schmand-Kuchen auf dem Tisch, von dem ich schon gestern genascht habe und auch die Kaffeemaschine steht mit frischer Kapsel geladen parat. Nach einem schnellen Frühstück entscheide ich mich dann, die Orte anzufahren, die ausserhalb des Zentrums liegen, da wir zum Mittagessen in die Stadt fahren möchten. So springe ich nach dem Frühstück aufs Rad und fahre zuerst zum Schwanenweiher. Ein wunderbarer Weiher am Stadtrand, mit einer kleinen Ruderbootvermietung und einem schönen Weg, der zum flanieren um den See einlädt. Ich höre Musik, die immer lauter wird. Bald ist die Quelle der üblen Partymusik erkannt. Sie kommt vom Clublokal des hier ansässigen Anglervereins, der heute sein jährliches Fest feiert und schon eine ganze Menge an Mühlhausern angelockt hat. Ich fahre am lärmigen Vereinsgelände vorbei, um die vielleicht einen halben Kilometer entfernte Poppenröder Quelle anzuschauen, die auf Martins Spickzettelchen steht. Mich erwartet ein wunderbares geschichtsträchtiges Gebäude. Davor ein vielleicht fünf Meter grosses, rundes Quellbecken. Ich bin entzückt und erfahre, dass dieses Gebäude schon seit dem 17. Jahrhundert hier steht. Ich knipse ein paar Fotos und möchte dann noch weiter in den Stadtwald. Dieses Unterfangen wirbelt dann aber meinen Zeitplan ziemlich durcheinander, denn erstens ist der Stadtwald viel grösser und zweitens auch weiter weg, als ich gedacht habe. Zudem geht es ständig bergauf, sodass ich zünftig ins Schwitzen komme. Mein Ziel sind ein paar Mamutbäume die im Wald zu bestaunen sind. Auf den Infotafeln an den Parkplätzen des Stadtwaldes sind die Bäume auf den Karten eingezeichnet, aber in dem Wirrwarr von Wegen verfahre ich mich dann auch noch und lande viel zu weit westlich am «weissen Haus», einem Ausflugslokal am Waldrand. Eigentlich müsste ich bereits umdrehen, damit ich pünktlich um zwölf wieder zuhause bin, aber ich bin schon so weit gefahren und wahrscheinlich ganz nah am Ziel, dass ich dann doch noch versuche die Mamutbäume zu finden. Das gelingt mir dann auch, aber ich bin ziemlich enttäuscht, als ich sehe, dass es sich hier um ganz banale Seqoia Tannen handelt die hier gepflanzt wurden und nicht mal speziell gross oder hoch gewachsen sind. Bei meiner Tourplanung stolperte ich irgendwo in Mitteldeutschland über einen bekannten Wald, wo es viele sehr alte Eichen zu sehen gibt und deshalb hatte ich hier im Stadtwald auch mit ein paar dieser alten Waldriesen gerechnet. Na ja, da hätte ich mich vielleicht nicht von meiner eigenen Vorstellung fehlleiten lassen dürfen. Trotzdem hat sich der kleine Abstecher in den Stadtwald gelohnt und so gebe ich Gas und radle schnellstmöglichst wieder zurück, wo Martin schon auf mich wartet.

Steinweg Mühlhausen

Steinweg Mühlhausen

Wir machen uns dann gleich zum Mittagessen auf. Martin fährt mit mir in die Altstadt und lädt mich ins Brauhaus zum Löwen ein. Das Restaurant liegt mitten in der Altstadt gleich hinter einer Kirche an einem kleinen Platz. Es sind an diesem Sonntag nicht viele Leute da und so können wir uns einen der vielen freien Tische unter den grossen Sonnenschirmen aussuchen. Ich bestelle mir Rouladen mit Klössen und die sind richtig gut. Anscheinend wird hier im Hause einmal in der Woche gebraut und eine der Bierspezialitäten ist Brombeer- oder Pflaumenbier. Ich rümpfe zuerst die Nase, weil ich denke Bier soll doch Bier bleiben, aber eigentlich ist Panaché oder Radler ja genauso ein Mix, wo man das Bier mit einem Süssgetränk mischt. Ich versuche erst von Martins Brombeerbier, das überraschend gut ist und um gleich auch noch die zweite exotische Sorte zu testen, bestell ich mir dann die Pflaumen-Version.

Nach dem Essen führt mich Martin dann noch durchs Städtchen. Er weiss viel zu erzählen und so erfahre ich noch einiges über die Stadtgeschichte oder die historischen Gebäude und Plätze im Stadtzentrum. Wir gönnen uns noch ein Eis und ziehen dann weiter. Über Mülhausen sagt man, dass es die am besten erhaltene mittelalterliche Stadt in Deutschland ist. Ich wundere mich sehr darüber, wieso sich dann hier nicht mehr Touristen aus der ganzen Welt auf den Füssen herumtreten? Aber diese Frage habe ich mir schon ein paar anderen Orten gestellt, die ich auf meiner zweiwöchigen Reise schon besucht habe. Auf der einen Seite find ich es schade, dass eine solche Trouvaille nicht mehr Besucher anlockt, auf der anderen Seite bin ich aber ganz froh darüber. Ich glaube die Stadt gewinnt auf Dauer mehr, wenn sie nicht von Touristen überrannt wird. Trotz allem ist es hier in der Altstadt an einem Sonntag fast schon gespenstisch ruhig. Ausgestorbene Innenstädte will man ja auch nicht haben, da geht dann auch viel vom Charme verloren. Aber vielleicht flanieren heute bei diesem heissen Wetter alle Mühlhausener um den Schwanensee oder tanzen zum Tschädderabumm-Schlager bei den Anglern :-D

Unser nächstes Ziel ist dann das Grenzlandmuseum Eichsfeld. Uns erwartet eine sehr interessante und informative Ausstellung, welche viel über die Zeit des kalten Krieges und der Trennung Deutschlands erzählt. Viele Bild- und Tondokumente vertiefen die übersichtliche Ausstellung und nette kleine Details finden sich oft in Schubfächern, die man an den einzelnen Stationen herausziehen kann. Mich fasziniert dieser Teil der deutschen Geschichte sehr. Dieser Irrsinn in dem das Ganze ausgeartet ist, ist für mich auch heute noch unverständlich. Man könnte hier locker einen halben Tag oder mehr verbringen, wenn man sich noch ausführlicher mit diesem Thema auseinandersetzen möchte. Kurz bevor die Ausstellung geschlossen wird, besichtigen wir noch den alten Wachturm, der hier auch stehen gelassen wurde. Ein paar Meter den Hügel hinauf gibt es auch noch ein Stück der alten Grenzanlagen zu besichtigen. Für diesen Spaziergang fehlt uns aber die Zeit. Zudem ist draussen an der prallen Sonne so heiss, dass wir keine Lust haben, das noch anzugehen. So geht es wieder zurück nach Mühlhausen, wo die Mädels nun auch alle wieder da sind.

ACHTUNG DEMARKATIONSLINIE: Informationen für den Besucher

ACHTUNG DEMARKATIONSLINIE: Informationen für den Besucher.

Martin heizt den Grill an und Karin bereitet zu den Fleischbergen die da aufgefahren werden, noch ein paar leckere Beilagen zu. Ich fühle mich in ihrer Gesellschaft sehr wohl und geniesse ihre Gastfreundschaft. Es ist so schön unverkrampft. Nichts muss, alles kann. Ach ja, meine Wäsche ist inzwischen auch getrocknet und ich bin froh, wieder ein paar frische Sachen zum anziehen zu haben. Zu Tisch ist dann auch die ganze Familie versammelt und ich werde ganz schön gemästet ;-) Lieber Martin, liebe Karin: An dieser Stelle nochmal ein grosses Dankeschön, für eure Gastfreundschaft. Ich habe mich bei euch sehr wohl gefühlt. Und Hasseröder Bier werd ich in Zukunft bestimmt auch mal bei in der Schweiz trinken.

Nach dem Essen verziehen sich die Kinder. Eine nach der anderen verschwindet in ihrem Zimmer und wir Alten plaudern noch ein ganzes Weilchen, bis es dann auch für uns Zeit ist ins Bett zu gehen. Da ich morgen wieder zeitig los will, möchte ich nicht erst wieder um halb zwei ins Bett, was ich am Ende dann grade noch so schaffe. Sicherheitshalber stell ich aber noch den Wecker, damit ich morgen nicht wieder verschlafe.

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