Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 13: Freitag, 21. Juni 2019
Länger gehts nimmer.

Diekholzen - Lamspringe - Bad Gandersheim - Einbeck - Northeim
[Karte]

Radreise Teil 6 (Tage 13 und 14)

Herrliche Landschaften führen mich durch Niedersachsen, mit kurzen Stopps beim Kloster Lamspringe, in Einbeck, Northeim und Göttingen. Dann gehts nach Thüringen weiter bis Mühlhausen.

Ich habe so so la la geschlafen. Die Leuchtkäferchen, die gegen halb elf beim Eindunkeln plötzlich umher schwirrten, setzten bei meiner Notschlafstelle doch noch einen schönen Akzent. Ich darf mich ja nicht beklagen. Um die Regenfälle bin ich, bis auf meinen verregneten Nachmittag nach Husum immer gut weg gekommen. Dass ich gestern trocken geblieben bin und sogar noch draussen vor dem Zelt kochen konnte, war ein Glücksfall, an den ich echt nicht geglaubt hatte, als ich zuvor das Regenradar angeschaut hatte. Ich stehe kurz nach sieben auf und packe meinen Krempel so schnell es geht zusammen. Drei richtig fette Zecken krabbelen schon wieder auf meinem Zelt herum, eine hat es sogar ins Innenzelt geschafft. Pfui. Darauf hab ich aber gar keine Lust und hoffe, dass ich nicht zu viele dieser Mistviecher einpacke und mitnehme und sie mich dann in der nächsten Nacht attackieren. Die Sonne brennt heftig vom Himmel und es ist schon heiss und schwül und mir fliesst der Schweiss, bevor ich mich aufs Fahrrad setze.

Morgenstimmung im Wald

Morgenstimmung im Wald

Kurz nach acht bin parat und fahre los. Ich bin nur ein paar hundert Meter von meiner Route weg und schon nach ein paar Minuten komme ich im nächsten Dorf bei einem Edeka Discounter vorbei. Perfekt. So kann ich mir schnell frische Milch fürs Müesli und den Morgenkaffee holen und meine Schorle-Reservern auffrischen. Kurz danach führt mich meine Route in einen Wald, wo ich auf eine Reiterin treffe und mit ihr ins Gespräch komme. Die Gewitter der letzten Tage mussten hier ziemlich heftig gewesen sein, denn der Wald ist an manchen Stellen richtig sumpfig und alles ist nass. Zum ersten Mal gehts auf meiner Tour richtig steil den Berg hoch. Mit viel Mühe quäle ich mich im kleinsten Gang mit meinem schweren Rad den nassen Waldweg hoch. Am höchsten Punkt zeigt der Höhenmesser auf meinem GPS sogar mal 200 Meter an. Was für ein Berg ;-) Für die Frühstückspause ist es mir im Wald zu feucht und zu kühl, darum fahre ich weiter auf der Suche nach einem netten Plätzchen. Um halb elf finde ich dann was passendes. Ein Bänklein im Halbschatten am Waldrand. Perfekt! Ich packe den Kocher und meine Bialetti aus, bereite mir mein Müsli zu, koche frischen Kaffee und geniesse das Frühstück an diesem ruhigen Ort.

Frühstück am Waldrand

Frühstück am Waldrand

Danach führt mein Weg durch eine wunderschön saftig grüne Ebene. Viele Strassen sind hier von Bäumen gesäumt. Richtige Alleen sind es zwar nicht, aber die Baumreihen an den Strassenrändern geben ein wunderschönes Landschaftsbild ab. Links und rechts von mir verlaufen waldige Hügel. Die sind nicht wirklich hoch, aber es entsteht der Eindruck eines breiten Tales. Zum Teil folge ich der ICE-Strecke. Ich durchfahre hier eine schöne und interessante Gegend. Alle paar hundert Meter durchfahre ich einen kleiner Einschnitt von vielleicht zehn bis fünfzehn Meter Höhenunterschied. Da kann mans kurz runterrauschen lassen, um dann gleich wieder hochzutrampeln. Wahrscheinlich sind für diese Einschnitte kleine Bach- oder Wasserläufe verantwortlich.

Mein nächstes Ziel ist Lamspringe. Dort hatte ich bei meiner Tourenplanung einen Geocache entdeckt, der ganz spannend klang und bei einem Kloster liegt. Ich bin wieder mal baff, was ich hier zu sehen bekomme. Entweder bin ich zu Unzeiten unterwegs, denn Touristen seh ich hier keine, oder dann ist dieses Kloster einfach zu unbekannt, als dass es gross Menschen anlocken würde. Es ist auf jeden Fall ein Genuss, wenn man solche Orte ganz gemütlich und ohne grosse Touristengruppen besuchen kann. Die Anlage ist beeindruckend gross, die Klosterkirche ein eindrücklicher Bau, der von weitem gar nicht so spektakulär aussieht. Seine Grösse wir mir erst richtig bewusst, als ich davor stehe. Das Innere der Kirche ist dann wieder viel verschnörkelter, als das kühle Äussere hätte ahnen lassen, aber irgendwie ist es mir trotzdem etwas zu wuchtig und schwer. Ich halte mich nicht lange in der Kirche auf, denn ich muss um den Cache zu finden ja noch ein paar Aufgaben auf dem weitläufigen Klostergelände erfüllen.

Unterwegs

Unterwegs

Trotz des frühen Aufbruchs heute Morgen, läuft mir die Zeit schon wieder davon. Die ewigen Schlenker, die sich bis jetzt aber immer gelohnt hatten kosten einfach Zeit. Mein Frühstück braucht auch immer viermal länger, als kurz zum Bäcker zu gehen und sich einen frischen Kaffee und ein Gebäck zu holen. Für mein Frühstück muss ich drei Taschen ausräumen, den Trangia Kocher auspacken und zusammenbauen, Kaffee kochen, und das Müesli zubereiten. Gut, das ist jetzt keine Hexerei, aber alles in allem trotzdem ein Zeitfresser. Dazu kommt, dass man die Zutaten auch immer noch einkaufen und am Ende alles wieder abräumen und sauber machen muss. Man kann ja nicht das ganze Geschirr und den Kocher dreckig einpacken. Da ist eine Stunde wie nichts vorbei. Ich habe mir auch schon überlegt, das selbsgemachte Frühstück bleiben zu lassen, aber irgenwie gehört es für mich einfach dazu und darum nehme ich mir auch die Zeit dafür. Solange ich streckenmässig im Plan bin, werde ich es so beibehalten. Nach der Besichtigung und erfolreichem Log geh ich noch einkaufen. Ich habe noch nichts für Unterwegs und hol mir einen Wurstsalat und ein frisches Brötchen. Den Wurstsalat den man hier bekommt ist die reinste Fett- und Kalorienbombe. Gefühlt besteht der aus 50% Lioner und 50% Mayo ;-). Die unendliche grosse Kalorienzahl kann ich dank der Radlerei aber auf so einer Tour getrost ignorieren. Zum Dessert gibts dann noch ein Becherchen Götterspeise von Dr. Oetker aus dem Kühlregal: Lecker! Das ist ein Traum von durchsichtigem Wackelpudding mit Himbeeraroma. Obwohl ich sicher bin, dass diese Dinger noch nie eine Himbeere gesehen haben und somit auch keine enthalten. Aber egal, ich mag diese glibbrigen Zuckerbomben. Ist ja quasi Gummibärchen, einfach wacklig und nicht so fest und kompakt.

Die weitere Strecke verläuft dann zum grossen Teil auf der Trassee einer stillgelegten Eisenbahnlinie. Ich lese, dass die Bahn hier noch bis in die frühen achtziger Jahre fuhr. Ich hatte schon am Morgen das Gefühl auf einem ehemaligen Bahngleis zu fahren. Hier erhalte ich nun aber die Bestätigung meiner Vermutung, denn als ich unter einer «toten» Brücke durch fahre, klicke ich die Geocaching App an. Schon bei dei der Elbkreuzung fand ich dank eines Caches schnell ein paar Infos zu den Hochspannungsmasten. Ich hoffe, dass ich dank der Geocaching App und eines versteckten Caches auch hier ein paar Infos zu diesem Radweg erhalte. Direkt an der Brücke finde ich nichts, aber ein paar hundert Meter weiter gibt es einen Cache, in dem tatsächlich erklärt wird, dass es hier früher eine Eisenbahn gab. An der Strecke stehen alle paar hundert Meter Skulpturen, was den Weg gleich nochmal etwas interessanter macht. Die Landschaft ist herrlich, der Weg supereasy zu fahren, weil alles wegen der Bahn so schön niveliert ist. Mal fährt man auf einem Damm, mal in einem kleinen Einschnitt. Dazu noch leichter Rückenwind, feiner Teerbelag, es läuft wie geschmiert.

Unterwegs

Unterwegs

Meinen Wurstsalat vespere ich dann in Bad Gandersheim. Hier entdeckte ich bei der Planung eine Quelle, wo man sich Mineralwasser abfüllen kann. Als ich dort ankomme, ist gerade ein Mann daran, seine mitgebrachten Flaschen mit dem Wasser zu füllen. Ich frage, ob das Wasser gut sei. Er meint: «Ja. Man wird davon sogar jünger und sehr gesund ist auch noch. Es schmeckt nicht mal nach Schwefel, ist nur «etwas» salzig.» Dann kostet er davon, um mir wohl zu beweisen, dass es wirklich trinkbar ist. Wir verabschiedeten uns und ich denke: prima, dann kann ich meine Wasserflaschen auch gleich wieder auffüllen. Gut habe ich noch ein kleines Plastikfläschen dabei, das ich zum Vorkosten nutze. Ich fülle das kleine Fläschchen auf und versuche das gesunde Nass. Die Plörre schmeckt aber salziger als das Mittelmeer. Aihhh... no way! Sowas kann ich nicht trinken. Es erinnert mich an das Abführmittel, das ich vor der Darmspiegelung trinken musste. Das war so scheisse salzig und eigentlich nicht trinkbar, obwohl die Pharmas den Salzgehalt mit intensivstem Limonenaroma zu übertünchen versuchten. Entweder hat der Typ von eben keine Geschmacksnerven mehr, oder er hat das Ganze einfach überspielt, weil es ihm peinlich war und man den Mist wirklich nicht trinken kann. Dieses Bad Gandersheim scheint ein bekannter Kurort zu sein, denn neben einer grossen Klinik fahre ich kurz danach durch einen sehr schönen und grossen Kurpark und später durch ein herrlich hergerichtetes Städtchen. Die Haupt- und Nebenstrassen zieren schön renovierte Fachwerkhäuser. Zudem gibt es im Sommer die Domfestspiele. Seit den späten 50er Jahren eine Tradition, die wohl weit herum bekannt ist. Aus Zeitgründen verzichte ich aber auf eine ausführlichere Stadtbesichtigung, fahre nur eine kurze Schleife durch zwei, drei Gassen und biege dann wieder auf meine geplante Route ein.

So langsam muss ich mich um die Übernachtung kümmern. Ich wollte eigentlich Kilometer machen und mal wieder einen Hunderter hinlegen, aber nach Northeim gibt es ewig keinen Campingplatz mehr und auf eine zweite Wildcamping-Nacht habe ich im Moment keine Lust. Ich lasse das Ganze mal auf mich zukommen und verschiebe die Entscheidung bis Northeim. Vorher mache ich noch einen Schwenker nach Einbeck. Wow... wieder so ein tolles Städchen mit wunderbar intakter Altstadt. Ein Bijou, gesäumt von Fachwerkhäusern. Viele von den Häusern sind neben dem Fachwerk noch zusätzlich verziert. Die Hauptstrasse im Zentrum ist belebt, aber nicht überfüllt. Auch hier habe ich den Eindruck, dass dieser Ort vor Touristen eigentlich überquellen müsste, aber weit gefehlt. Ich befinde mich in einem ganz normalen Niedersächsischen Städtchen, das geschäftig belebt ist. Die Strassencafés sind gut besucht, aber alles in einen sehr angenehmen Rahmen. Ich denke für mich: «Pierre, mit dieser Tour hast du alles richtig gemacht. Du kommst an wunderbaren Orten vorbei, die sich lohnen anzusehen, aber nicht überfüllt sind.» Da ich aber nicht mehr viel Zeit habe, bleibt es bei einem kurzen Eis-Stopp und einer Runde durch ein paar Gässchen der Altstadt. Ich kann mir ja auch nicht jedes Städtchen stundenlang ansehen, aber oft genügt es auch schon, diese Kleinode zu besuchen und einen kleinen Augenschein davon zu nehmen.

Einbeck

Einbeck

Die weitere Strecke ist dann nicht mehr sonderlich spektakulär. Der Radweg führt bis Northeim fast immer der Hauptstrasse entlang. Wenn die Radwege parallel auf eigenem Terrain neben den Strassen geführt sind ist es aber meist ok. Vor allem wenn kein allzu grosser Verkehr herrscht, kann ich gut damit leben. Als ich Northeim erreiche, entscheide ich mich, hier zu bleiben. Kurz vor dem Ortseingang mache ich eine kurze Pause, checke nochmal Google Maps und schaue mir die Strecke für den morgigen Tag an. Ich werde wahrscheinlich am Sonntag Martin meinen Programmierer treffen, der in Mühlhausen in Thüringen wohnt und möchte auf jeden Fall am Sonntag zeitig dort sein. Das sollte mit einer engagierten Etappe morgen zu schaffen sein.

Der Entscheid hier mal etwas zeitiger Halt zu machen, ist goldrichtig. Kurz nach sieben steht mein Zelt und ich bin um halb acht geduscht und ready um wir was zu kochen. Da ich heute so schön zeitig dran bin, gönne ich mir ein Bierchen im gemütlichen Camping-Restaurant. Ich habe den Laptop dabei und nutze die Zeit gleich zum Tagebuch schreiben. Das Bier ist schnell leer und so bestelle ich noch ein Zweites. Weil es grad so lauschig ist, ich gemütlich am Tisch sitze entscheide ich mich dann, auch gleich noch hier zu essen. Ich habe schon oben an der dänischen Grenze erwähnt, dass ich kein Fan von Bratkartoffeln bin, aber hier im Norden schmecken die mir nun plötzlich ausserordentlich gut. Darum kann ich den Matjesfilets mit Bratkartoffeln die auf der Karte sind nicht widerstehen und bestelle eine Portion, auch wenn ich mich inzwischen wohl nicht mehr in der Matjes-Kernzone befinde. Unterdessen habe ich die Erlebnisse des Tages zusammengefasst. Mein Laptop ist zu 97% geladen und das Handy steht bei 90%. Kochen brauch ich auch nicht mehr, was heisst, dass ich mich heute mal etwas zeitiger schlafen legen kann.

Abendessen im Camping Beizli

Abendessen auf dem Campingplatz

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