Tag 12: Donnerstag, 20. Juni 2019
Symmetrie ist alles.
Hannover - Hildesheim - Diekholzen
[Karte]
Radreise Teil 5 (Tage 11 und 12)
Ausflug auf den Wilhelmstein im Steinhuder Meer und Weiterfahrt nach Hannover wo ich die Herrenhäuser Gärten besuche. Danach gehts noch ein Stücken weiter zum ersten Wildcamping.
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Ich wache kurz vor sieben auf, bin aber nicht fähig meinen Körper soweit in Schwung zu bringen, dass die Lebensgeister die Schläfer besiegen könnten und nicke wieder ein. Um viertel nach acht erwache ich dann zum zweiten mal und diesmal geht der Kampf zugunsten der Wachen aus ;-) Ich wollte gestern noch so viel tun, habe es aber wegen der Schreiberei wieder mal nicht geschafft. Mein ganzes Gepäck ist im Zimmer verteilt und es braucht ein Weilchen, bis alles wieder geordnet und verpackt ist. Die Wäsche ist so knapp trocken geworden. Egal, das bisschen Restfeuchte in den Radlerhosen wirkt bestimmt ganz erfrischend.
Herrenhäuser Gärten - Blumengarten
Das Frühstück ist gut, die Auswahl gross. Das Plaza am Bahnhof ist echt in Ordnung. Da fand ich das Flughafenhotel in London, letztes Jahr viel schlimmer. Um zehn bin ich dann ready und deponiere meine Bagage im Gepäckraum des Hotels und radle auf direktem Weg zu den Herrenhäuser Gärten. Für acht Euro gibts ein Ticket das für die Herrenhäuser Gärten, das Museum und den Berggarten gültig ist. Gut gibts dazu noch einen Plan der Anlagen, denn besonders das Wunderwerk Grosser Garten, wie die Anlage heisst, ist so riesig, da kann man sich schon mal verlaufen ;-) Nö, nicht wirklich, aber man verliert sich dank des Plans nicht so in der Weite und kann damit gut sehen, wie und wo noch kleinere Spezialgärten angelegt sind, oder auf welchem der sternförmig von der Fontäne wegführenden Wege man gerade ist, oder durch welche Allee man gerade spaziert. Zum Teil steht man hinter meterhohen Hecken und wähnt immer wieder denselben Blick, merkt aber, dass man doch an einem anderen Ort ist, weil sich jede Ecke in kleinen Details von den anderen unterscheidet. Die Symmetrie, die hier vorherrscht ist der Wahnsinn. Als ich gerade ein Foto von der Hauptallee, mit Blick zurück zu den Herrenhäusern machen möchte, kommt einer der vielen Gärnter und stellt mir das Auto schön ins Bild. Schmunzelnd kommt er zu mir. Er hatte schon beim herfahren entschuldigend die Schultern gehoben. Er meint ich müsse nur ein paar Meter weiter nach vorne gehen, oder das Auto später in Photoshop aus dem Bild retouchieren. Ich erwidere, er könne auch einfach ein zweites Auto auf der anderen Seite hinstellen. Hauptsache die Symmetrie stimme wieder. Er findets glaub ich witzig und meint dann nur. Ich hätte ja auch fünf Minuten eher kommen können. Ein bisschen bin ich auf den Arbeitsort dieses Herren neidisch. Aber natürlich hat er Recht als er sagt, dass es im Winter bei Regen, Schnee und Kälte nicht mehr ganz so toll sei, wie jetzt im Sommer. Ich gebe ihm recht, trete ein paar Schritte weiter vor, bis das Auto aus dem Bild ist und verabschiede mich von ihm. Mein Spaziergang durch diese gewaltige Parkanlage dauert fast zwei Stunden. Zum einen erschlägt einen die schiere Grösse und zum anderen gibts aber auch unheimlich viel zu sehen. Und wenn man sich dafür richtig Zeit nehmen wollte, würden auch vier Stunden nicht reichen. Ich bin von diesem Garten so verzaubert, dass ich mir den Berggarten auch noch anschauen möchte. Das hatte ich am Anfang eigentlich nicht auf dem Plan, aber die Neugier wurde durch das bereits gesehene geweckt. Dazu muss man die grosse Strasse bei den Hauptgebäuden überqueren und kann dort gleich in dieses nächste Vergnügen eintauchen. Ich nehme mir vor, nur kurz einen Augenschein zu nehmen. Haha... da wird natürlich wieder nichts draus, denn nun stehe ich nicht mehr in einer toll orchestrierten und bis ins kleinste Detail durchgeplanten Parkanlage, sondern in einem wunderbar thematisch gegliederten Garten mit Blumen und Pflanzen aus der ganzen Welt. Ein Rundgang leitet einen wunderbar durch die ganze Anlage. Ich muss leider auf einige kleine Abzweiger nach links und rechts verzichten, sonst komme ich da heute nie mehr raus. Ein paar Schauhäuser mit Kakteen und Orchideen runden die schöne Aussenanlage ab. Ich bin begeistert. Beide Parkanlagen haben ihren ganz eigenen Reiz und können kaum miteinander verglichen werden. Beim grossen Garten steht sicher die Kunst und die Bauart der Anlage im Vordergrund, im Berggarten sind es auf jeden Fall die Pflanzen. Blumenliebhaber werden im Berggarten sicher mehr auf ihre Rechnung kommen.
Berggarten
Nachdem ich ganze drei Stunden in den Gärten verbracht habe, bin ich ziemlich müde und habe das Gefühl, dass mich dieser Spaziergang mehr angestrengt hat, als einen Tag auf dem Fahrrad. Also schwinge ich mich wieder auf mein Velo und möchte mich noch einem meiner handverlesenen Caches widmen. Es wartet einweiteres Novum auf mich, eine witzige Idee, die ich so noch nie gemacht habe. An irgend einem Punkt kann ich ein Programm starten welches mir sagt, in welcher Richtung der Cache liegt. Die Angaben sind, je weiter weg man ist, je ungenauer. Ich dachte mir, dass sich das ganze in einem Radius von vielleicht einem Kilometer um die Herrengärten abspielen würde, da der Cache auf der Karte hier eingezeichnet war, aber weit gefehlt. An jeder Kreuzung, wo ich entscheiden muss, in welche Richtung die Reise weitergehen soll, muss ich in der App wieder die aktuelle Himmelsrichtung nachfragen. Die Krux ist aber, dass man einzig mit dieser einen Information am Ende in einem Radius von weniger als zehn Metern landen muss, um dort dann nach dem Döslein zu suchen. Am Ende war ich nur für diesen Cache fast eine Stunde unterwegs und radelte durch Familiengärten, über Flüsschen, durch belanglose Wohnquartiere oder musste Schnellstrassen überqueren. Schliesslich lande ich irgendwo in einem Stadtwald an der Stadtgrenze. Zwischendrin sage ich mir immer wieder, wenn sich jetzt nicht langsam die Suchrichtung deutlich ändert, geb ich auf. Aber man tuts ja dann doch nicht, denn je länger man sich dieser Aufgabe hin gibt, umso mehr steigt die Neugier, wo und wie das Ganze nun endet. Am Ende schaffe ich es dann doch noch und bin ein bisschen stolz, aber auch etwas genervt, denn eigentlich wollte ich heute um die Mittagszeit Hannover wieder verlassen. Inzwischen ist es aber schon wieder zwei Uhr. Ich gebe die Koordinaten vom Hotel ein und radelte wieder quer durch die Stadt Richtung Zentrum. Dumm nur, dass ich unterwegs über einen wunderbar lauschigen Platz komme, wo ein kleines italienisches Restaurant draussen unter den Linden ein paar Tischchen aufgestellt hat. Auf der Schiefertafel stehen ein paar einfache Gerichte zur Auswahl, die mich anlachen. Zudem verzaubert mich dieser Ort und so setzte ich mich hin und bestelle mir eine leckere Pasta. Dazu versuche eine Club-Mate-Brause. Das wollte ich schon lange mal probieren, merke aber schnell, dass das nicht so meins ist. Gut, dass ich das jetzt weiss und mir in Zukunft keine Mate-Brause mehr bestellen muss.
Mittagspause am Lindner Marktplatz
Tja und da meine Tour so gut durchgeplant ist und ich mir auf der ganzen Route ein paar Geocaching-Perlen herausgesucht habe, sehe ich auf dem Weg zurück zum Hotel, dass ich nur 1,5 Kilometer von der gemütlichen Zmittags-Beiz weg, noch einen witzig klingenen Geocache gespeichert hatte, den ich auch noch angehen wollte. Es ist wieder ein Rätsel, wo ich den ersten Teil schon zu hause lösen konnte. Der zweite Teil des Rätsels bringt mich zur (ehemaligen?) Balsen Fabrik, wo der legendäre Leibniz Keks hergestellt wird. Vor Ort muss dann noch eine simple Aufgabe gelöst werden, mit deren Hilfe man dann die Koordinaten für die finale Dose berechnen kann. Das Finale zeigt auf eine Strasseninsel einer vierspurigen Hauptstrasse, bei einem Fussgängerstreifen mit Ampelanlage. Es handelt sich um eine grosse Streukiste, die mit zwei Zahlenschlössern gesichert ist. Gut falle ich mit meinem vollbeladenen Tourenrad und meinen gelben Taschen dort überhaupt nicht auf ;-) Entweder schauen die Fahrer, die am Rotlicht stehen zu mir herüber, oder die Fussgänger die die Strasse überqueren. Als ich die Kiste dann offen habe, kommt darin ein riesiges Krümelmonster zum Vorschein und am Deckel ist ein überdimensional grosser, goldener Leibniz Keks aus Holz montiert. Gleich mehrere Passanten laufen zusammen. Die einen wissen von nichts, andere rufen mir schon fast die Lösung der letzten Aufgabe zu, denn in der geöffneten Kiste muss man auch noch das Logbuch finden, das da nicht einfach offen darin liegt. Eine wirklich skurile Situation, die aber am Ende richtig Spass gemacht hat. Vielleicht kann sich der eine oder andere nun vorstellen, wieso ich Geocaching so liebe und es mir auch nach über zwölf Jahren noch so grossen Spass macht. Natürlich sind solche Caches die Ausnahme, aber genau die sind das Salz in der Suppe und darum habe ich auch bei der Planung der Deutschlandtour nach einigen dieser spannenden Dosen ganz explizit gesucht. Für Belangloses hätte ich keine zusätzliche Zeit aufwenden müssen. Da hätte ich einfach unterwegs die Geocaching App einschalten und die nächstmögliche Dose suchen können, aber das wäre in den meisten Fällen bestimmt nicht so witzig gewesen, wie die von mir ausgewählten, die mir auf der bisherigen Tour schon viel Freude bereitet haben. Noch eine Ergänzung zur Balsen Geschichte: Am Gebäude hängt ein altes Werbeschild mit einem goldenen Balsen Keks. Das wurde vor ein paar Jahren gestohlen und dieser Raub ging hier in Niedersachsen ziemlich durch die Presse. Nach einer gewissen Zeit, ich erinnere mich nicht mehr wie lange es gedauert hat, wurde der goldene Keks wieder zurückgebracht und zwar vom Krümelmonster. Man weiss bis heute nicht, ob das ganze nur eine raffinierte PR-Geschichte von Balsen war, oder ob sich da Irgendwer einfach einen Spass erlaubt hatte.
Leineauen
Nachdem nun diese lustige Herausforderung erledigt ist, kann meine Reise endlich weiter gehen. An der nächsten Kreuzung lockt mich noch eine Eisdiele und da ich heute noch kein Eis hatte, gönne ich mir die obligaten zwei Kugeln. Der weitere Weg folgt dann wieder der Leine. Vorbei am Maschsee gehts zügig aus der Stadt heraus. Der Weg ist herrlich zu fahren, der Fluss immer in der Nähe. Mal habe ich das Wasser zu meiner Linken, mal zur Rechten. Es geht vorbei an Feldern, durch Auenlandschaften und an dutzenden kleineren Seen vorbei. Vor Sarstedt wird die Landschaft dann wieder austauschbarer. Ich fahre noch schnell zum Supermarkt um Wasser zu holen, denn heute steht zum ersten mal Wildcampen an. Die nächsten offiziellen Campingplätze liegen nicht auf meiner Route, oder sind alle zu weit weg. Zudem braut sich ein heftiges Gewitter zusammen. Das Wetterradar zeigt gegen 21 Uhr eine grosse Regenfront an. Ich plane bis 20 Uhr weiter zu fahren und mir dann eine geeignete Stelle zum Übernachten zu suchen. Ich fahre noch an Hildesheim vorbei. Da hätte ich ganz gerne noch einen Schwenk ins Zentrum gemacht, aber die Zeit ist mal wieder zu knapp. Um halb neun finde ich dann endlich ein mehr schlechtes als rechtes Plätzchen und stelle zügig das Zelt auf. Ein einigermassen gescheiter Platz ist hier in der Gegend einfach nicht zu finden. Die einzigen brauchbaren Plätze waren mir immer zu Nahe an Wohngebieten, Bauernhäusern oder grossen Strassen. Rundherum rumpelt es schon kräftig und im Norden sieht man auch schon die dicken Regenvorhänge am Himmel. Schlussendlich habe ich aber wieder ein riesen Glück. Mein gewählter Übernachtungsplatz liegt genau zwischen zwei Gewitterzellen. Pünktlich um neun tröpfelt es für ein paar Minuten, aber der grosse Regen erwischt mich überraschenderweise nicht. Ich habe in dieser Hinsicht nicht zum ersten mal Glück auf dieser Reise. So kann ich wenigstens vor dem Zelt kochen und muss das nicht liegend unter der kleinen Apside (Vordach) machen. Für diesen Fall bietet mein Zelt einfach zu wenig Platz. Für den Notfall geht es zwar, aber lässig ist es nicht. Zu meinem entzücken tauchen dann in der Dämmerung noch Leuchtkäferchen auf, die mir freundlich zublinken. Was für ein schönes Schauspiel. Mein Kochgeschirr säubere ich so gut es geht mit dem wenigen Wasser das noch übrig ist und danach lege ich mich dann zum Schreiben ins Zelt. Unschön sind die vielen Zecken, die hier im hohen Gras am Waldrand herum kriechen. Die erste die mir auffiel, krabbelte über mein Handydisplay. Kein wirklich gutes Zeichen, wenn die Viecher schon so weit gekommen sind. Danach suche ich im Halbdunkel im Schein der Taschenlampe erst mal meinen ganzen Körper ab und hoffe, dass nicht zu viele dieser Mistviecher schon auf mir am herumkrabbeln sind. Inzwischen ist auch wieder Mitternacht durch und ich wollte doch noch eine Bilanz meiner bisherigen Strecke machen. Das muss nun halt nochmal warten. Ich hoffe, dass ich morgen mal wieder richtig Kilometer machen kann. Guet Nacht.