Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 5: Donnerstag, 13. Juni 2019
Die Sonne kommt

Schobüll - Husum - Garding - Eider Sperrwerk - Büsum
[Karte]

Radreise Teil 2 (Tage 4 und 5)

Vom nördlichsten Hotel auf dem Festland gehts der Küste entlang südwärts bis Büsum.

Argh... ich hab mich erkältet! Schon gestern Abend merkte ich ein unangenehmes Kratzen im Hals. Das hinderte mich erst am einschlafen, aber die Müdigkeit war dann doch stärker und holte mich ab in ihre Traumwelt. Kurz nach dem Aufwachen fühle ich mich noch ganz ok, obwohl sich die Halsschmerzen immer stärker bemerkbar machen. Ich hab so gar keine Lust, meine Reise mit einer Erkältung fortzusetzten und darum stell ich auf stur und versuche die Zeichen der herannahenden Krankheit einfach zu ignorieren ;-)

Heute Frühstücke ich zum ersten mal vor meinem Zelt. Auf meinen Test-Touren rund um den Bodensee und der Bodensee-Königssee Radtour, hatte sich mein Müslifrühstück schon gut bewährt. Deshalb werde ich das auf meiner Deutschlandtour auch wieder so handhaben. Es ist schnell zubereitet und gibt genug Energie bis zum Nachmittag. Ein Klassiker der auch wunderbar zu einem frisch gebrühten Kaffee passt. Zur Not genügt auch mal die rohe Müslimischung mit etwas Wasser, in der Regel mische ich aber noch ein Becherchen Fruchtjoghurt dazu und nehme anstatt Wasser natürlich Milch und wenn ich noch Obst oder Früchte dabei habe, kommt davon auch noch etwas in die Schale. Von Saitenbacher oder Alnatura gibt es ganz leckere Bio-Beeren-Mischungen. Die ganzen Crunchydinger sind nicht so meins und meistens massloss überzuckert. Zur Feier des Tages schnippel ich zur heutigen Outdoor-Frühstücks-Premiere die letzten matschigen Erdbeeren in meine Mischung. Die haben durch die Schüttelei beim Fahren etwas gelitten, schmecken aber immer noch wunderbar süss und reif. In der Regel kaufe ich mir einen halben Liter haltbare Milch, die ich in ein gut verschliessbares Petfläschchen umleere, falls etwas übrig bleibt. Ich mag die zwar nicht, aber ungekühlt kippt Frischmilch eifach zu schnell um. Aber im Müsli oder Kaffee stört mich die UP-Milch nicht gross. Die hält in jedem Fall auch im Sommer problemlos für ein oder zwei Tage, wenn die Temperaturen nicht allzu heiss sind. Erstaunlicherweise hält auch ein Joghurt bei Hitze gut einen oder zwei Tage durch. So bin ich auch übers Wochenende immer für ein währschaftes Frühstück ausgerüstet. Zum Müsli gibts einen frisch gebrühten Kaffee aus meiner kleinen Bialetti. Das geht auf dem Trangia ratzfatz. Herrlich.

Emsiges Treiben auf dem Markt von Husum.

Emsiges Treiben auf dem Markt von Husum.

Nach dem Frühstück packe ich zusammen. Das viele feuchte Zeug von gestern ist noch überall zum trocknen verteilt. Auch das Zelt ist von der feuchten Meeresluft und Kondeswasser innen und aussen ziemlich nass. Ich wische die Kondenswassertropfen zuerst mit einem Tuch ab, damit es in der Sonne dann schneller trocknet. Der Tag beginnt heute mit blauem Himmel und viel Sonnenschein und so schaffe ich es, dass ich am Ende trotz allem ein trockenes Zelt einpacken kann. Kurz nach zehn ist alles gepackt und ich mache mich auf den Weg.

Das Zentrum von Husum liegt nur ein paar Kilometer vom Campingplatz entfernt und so entscheide ich mich, einen kleinen Schlenker ins Stadtzentrum zu machen. Wow... was für ein hübsches Städtchen. Heute ist Markt. Auf dem Marktplatz und der Hauptstrasse ist zünftig was los. Geschäftiges Treiben zwischen den Ständen. Die vielen Blumen bei den Ständen der Gärtner verzaubern den Markplatz in ein farbenfrohes Blumenmeer, herrliches Gemüse und frisches Obst lockt die Kunden zu den Gemüseständen und ein Marktschreier preist seine Erdbeeren für drei Euro das Kilo und fünf Euro für zwei Kilo an! Wow, da krieg ich in meiner Migros in der Schweiz mit Glück ein 250 g Schälchen. Als ich den Bereich mit den Fischständen erreiche, zögere ich nicht lange und decke mich mit einem Matjes- und einem Krabbenbrötchen ein. Das Mittagessen ist somit gesichert. Dazu gibts vom Bäcker, vom Wagen nebenan noch ein Stück Rhabarber-Streusel. Ich bin entzückt und mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. Ich schlenderte noch ein Weilchen über den Markt, mache einen Schwenk zum Museumshafen, den ich nur zufällig entdecke. Ich bin völlig verzaubert von der Schönheit dieses Städtchens. Mir gefällt der wilde Mix der so unterschiedlichen Hausfassaden. Ich kann die Stile nicht wirklich einordnen, sieht für mich einfach mal nach «Norden» aus ;-) Ich finde dass es viel vielschichtiger als z.B. in einem typischen süddeutschen Fachwerkstädtchen oder auch bei uns in der Schweiz in einem netten Kleinstädtchen ist. Vielleicht habe ich diesen Eindruck aber nur, weil mir dieser Baustil einfach nicht sehr bekannt ist. Bevor es dann endlich richtig los geht und weil der Tag so gut begonnen hat, gibts dann vor der Weiterfahrt das erste Eis. Das musste bei dem herrlichen Sonnenschein nun einfach sein. Fürs Mittagessen ist es definitiv noch zu früh, das Frühstück aber schon ein Weilchen her, so passt das Eis als Überbrücker einfach perfekt. Ok, wieso versuche ich mir hier meinen Eiskauf überhaupt zu rechtfertigen? Für ein leckeres Eis ist gibt es keinen unpassenden Moment! Joghurt Maracuia und Schokolade. Eine vielleicht etwas wilde Kombi, die mir aber vorzüglich schmeckt.

Kiek mol wedder in.

... aber gerne, irgendwo in der Nähe von Witzwort.

Mein weiterer Weg führt dann für einmal nicht nur der Küste entlang, was mir sehr gefällt. Eine tolle Abwechslung zu den Deichradwegen mit ihrem oft eingeschränkten Blickfeld. Natürlich trägt der blaue Himmel und das perfekte Sommerwetter dazu bei, dass die Landschaft so schön ist. Die Farben knallen, die Luft ist klar, die Kontraste stark. Die kleinen Strässchen, denen ich folge führen aber auch an sehr schmucken Landschaften, Weilern und vielen alten schönen Häusern vorbei. Was heute aber richtig mühsam ist, ist der Gegenwind. Die vielen Windräder die hier überall stehen, zeigen an ihrer Ausrichtung immer die genaue Windrichtung an. Wenn mich der Wind frontal erfasst, schaffe ich mit viel Mühe grade mal noch 13 km/h. Was bin ich froh, dass ich vor dieser Reise schon viel auf dem Rad gesessen bin und mich recht fit fühle. Sonst hätte mich dieser Gegenwind wohl gekillt. Ich rechnete heute nicht mit allzu vielen Kilometern und trotzdem stehen am Abend knappe 80 auf dem Zähler.

Nach Simonsberg lege ich mal wieder eine Geocaching-Zusatzschlaufe ein. Mein Weg führt mich in die Nähe von Witzwort. Was für ein Name für eine Ortschaft. Ich habe mir einen Multicache herausgesucht und werde mit ein paar sehr hübschen, selbst gebastelten Häuschen überrascht, die in der Hecke versteckt sind und in denen sich jeweils ein Rätsel verbirgt, das ich lösen muss, um die Koordinaten des nächsten Postens herauszufinden. Eine wunderbar stimmige Geschichte hat sich da jemand ausgedacht. Die Rätsel drehen sich alle um den kauzigen Inspektor aus der alten Zeichentrickserie «Der rosarote Panther», die ich in meiner Kindheit geliebt habe.

Geocachen unterwegs.

Geocachen unterwegs.

Einen erwähnenswerten Stopp lege ich dann so gegen 14 Uhr in Garding ein. Ich habe Hunger und es ist eh langsam Zeit zum Mittagessen. Einmal mehr werde ich völlig überrascht, was mich hier erwartet. Ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Wunderbare alte Häuserzeilen führen ins Zentrum. Dort steht auf dem höchsten Punkt, von einer kleinen Wiese und Bäumen umgeben, die Kirche. Ein wuchtiger Backsteinbau, wie man ihn hier im Norden oft sieht. Alle Strässchen scheinen sich in Garding sternförmig zum Zentrum hin zu bewegen. Eine Strasse wartet dann auch noch mit ein paar Geschäften auf, an einer Ecke führt ein Weg in einen schönen Park, wo dahinter gleich der Friedhaf anschliesst. Dort suche ich mir ein ruhiges Bänklein und geniesse meine Fischbrötchen vom Markt. Ich fühle mich in diesem Moment einfach relaxed und glücklich

Das Ende der Welt.

Das Ende der Welt.

Bevor ich mein letztes geplantes Ziel an diesem Tag erreiche, lerne ich noch, dass das Ende der Welt ganz anders ist, als ich mir das bis heute vorgestellt habe. Ich dachte immer, am Ende der Welt ist Schluss. Aus, Banane, Dunkel! Ich muss schmunzeln, als ich an der Dorfausfahrt das Schild sehe und bin nicht der einzige, der deshalb hier kurz anhält, um es zu fotografieren. Kurz nach Welt treffe ich dann wieder auf die Küste und folge dem Deich bis zum Eidersperrwerk. Ein monumentaler Bau, der über die Mündung der Eider gebaut ist, um das Hinterland vor Sturmfluten zu schützen. Fünf 40 Meter lange Schieber können hier heruntergefahren werden, um bei einer Sturmflut das Eindringen des Wassers ins Hinterland zu verhindern. Wahnsinn, was hier hingestellt wurde. Fussgänger und Fahrradfahrer können das Bauwerk überqueren und haben so einen imposanten Blick ins innere dieses Monstrums aus Beton und Eisen. Der Gehweg der Fussgängern und Radfahrern als Übergang dient, liegt zwischen den beiden Toren und direkt auf der 236 Meter langen Tunnelröhre für den Autoverkehr. Auf der einen Seite gibt es noch eine Zugbrücke und Schleuse für den Schiffsverkehr. Die Aussicht auf der Anlage in die Umgebung und hinunter ins Wasser zu diesen riesigen Toren ist beeindruckend. Die Dimensionen die diese Anlage hat, sind in Worten kaum zu beschreiben. Interessant sind auch die Kolonien von Seeschwalben und anderen zum Teil seltenen Vogelarten, die sich hier zu hunderten oder tausenden niedergelassen um hier zu brüten. Das Geschrei der Möven ist immens und vom Geländer aus kann man auch die einen oder anderen Küken in ihren Nestern entdecken. Warnschilder weisen allerdings darauf hin, dass man sich mindestens einen Meter von der Brüstung fernhalten sollte, um die Vögel nicht unnötig zu stören oder zu provozieren, da sie sonst auch gerne mal angreifen.

Das mächtig Eidersperrwerk.

Das mächtige Eidersperrwerk.

Nachdem ich mir für das Eidersperrwerk ein ganzes Weilchen Zeit genommen habe, geht es weiter. Ich möchte noch bis Büsum weiter zu fahren, wo zwei Campingplätze direkt an meiner Route liegen. Die Plätze sind ziemlich gross und mit allem Schnickschnack ausgestattet. Komisch, dass die Rezeption schon um 18 Uhr schliesst. Das passt irgendwie nicht zu diesem 5-Sterne Rating. Es gibt aber eine Möglichkeit für Spätankömmlinge, wo man den Platzwart anrufen und so trotzdem bis 21 Uhr einzuchecken kann. Ich muss allerdings mit einem Notfallplatz vorlieb nehmen, denn zu meinem Erstaunen erklärt mir der Platzwart, dass sie ausgebucht seien wegen dem grossen Sommerkonzert. Als ich nachfrage erklärt er mir, dass am Freitag eine 90er Party mit Blümchen und noch so zwei schrägen Bands aus den 90er Jahren auftreten und am Samstag dann der Kaiser himself sich die Ehre gibt Büsum zu beschallen. Als es bei mir nicht gleich Klick macht, klärt er mich augenzwinkernd darüber auf, dass es sich beim Kaiser um den leibhaftigen Schlagerstar Roland Kaiser handelt. Ich meine darauf dann nur, dass ich in dem Fall ganz froh sei, wenn ich hier schnell wieder verduften könne ;-)

Natürlich bleibt am Ende des Tages dann doch wieder zu wenig Zeit, auch wenn ich «schon» vor 20 Uhr auf dem Campingplatz bin. Aber ich trödle ein bisschen herum und bin ziemlich müde. Das liegt wahrscheinlich nicht nur am Gegenwind von heute, sondern auch an der immer stärker aufkommenden Erkältung und der intensiven Sonne. Die Dusche tut wieder unglaublich gut und ist für mich inzwischen der Hauptgrund, dass ich auf einen Campingplatz gehe. Der ganze Rest ist eigentlich unnötiges Beigemüse. Zum Abendessen gibts dann Nudeln mit Muscheln aus der Dose mit Rahm. Ist jetzt nicht gerade der Burner, aber mir schmeckts gut und schnell habe ich eine anständige Portion verdrückt. Danach bleibt noch etwas Zeit und just genug Akku, um die Tagesereignisse niederzuschreiben. Mit heissem Kopf leg ich mich dann um viertel vor elf ins Bett. Dummerweise habe ich heute Morgen vergessen mich einzucremen. Im Spiegel sieht das etwas ungesund aus;-)

Vorheriger Tag Zur Übersicht Nächster Tag