Tag 2: Montag, 10. Juni 2019
Sylt entdecken
Sylt
[Karte]
Radreise Teil 1 (Tage 1 – 3)
Anreise mit dem Nachtzug nach Westerland, Sightseeing Sylt und Weiterreise mit der Fähre nach Rømø. Durch ein Stück Dänemark gehts zurück nach Deutschland.
Auf meinem Youtube Kanal findest du weitere Radel- und Wandervideos.
Die Nacht im Schlafwagen war alles andere als entspannend. Auch wenn ich zwischen drin mal weggenickt bin, viel geschlafen habe ich wohl nicht und fühle mich ziemlich gerädert, als wir um sieben vom Schaffner zum Frühstück geweckt werden. Die Bierchen, die stickige und heisse Luft im Abteil, der Lärm von draussen und das Geschüttel des Zuges, waren an meinem schlechten Schlaf wohl nicht ganz unschuldig.
Im Hamburger Hauptbahnhof leert sich der Zug fast komplett. Nur noch ein paar wenige fahren weiter bis Altona. In drei Stunden bringt mich von hier der Regioexpress direkt weiter nach Westerland. Das Wetter ist nicht sehr anmächelig. Grau in Grau. Unterwegs hatte es auch immer mal wieder geregnet. In Sylt ist es dann aber trocken und auch wenn es draussen ziemlich frisch aussieht, sind die Temperatuen beim Aussteigen überraschend angenehm. Unterwegs hatte ich noch Zeit mich nach einem Campingplatz umzuschauen und mich für Wenningstedt entschieden. Vom Bahnhof Westerland sind es bis dort gute fünf Kilometer. Der Platz liegt am Ortsende, direkt hinter den Dünen. Schnell bekomme ich meine Parzelle auf der Zeltwiese zugewiesen und baue mein Zelt auf.
Bereit für die erste Nacht: Campingplatz Wenningstedt.
Einen festen Plan für meinen ersten Tag auf Sylt habe ich nicht, ausser einem Besuch des Startpunktes meiner Tour: dem nördlichsten Punkt Deutschlands. Luftlinie sind das etwa 15 Kilometer, über die Radwege wirds ein bisschen mehr sein. Ein heftiges Windchen bläst mir auch noch entgegen, aber das gehört hier oben im Norden dazu. Sylt ist ein Veloparadies und am frühen Nachmittag ist hier auf den Radwegen ganz schön was los. Mir ist der Rummel schon fast zu viel. Ein kunterbunter Mix aus Spaziergängern, Freizeitradlern und E-Bikern teilt sich hier die Radwege. In der Nähe von Ortschaften, oder bekannter Strandabschnitte nimmt der Verkehr merklich zu, ausserhalb ist es aber bald wieder ruhiger und angenehmer.
Da ich für Morgen die Überfahrt nach Rømø plane (spricht sich übrigens Römö), fahre ich einen kleinen Umweg über List, wo die Fähre zur Überfahrt nach Dänemark anlegt. So kann ich gleich einschätzen, wieviel Zeit ich morgen für die Fahrt dorthin benötige. Frühstück werde ich dann unterwegs essen, da ich noch nichts eingekauft habe. Ich bin ganz überrascht, wie herausgeputzt das nördlichste Dorf von Deutschland ist, obwohl ja bekannt ist, wie chic Sylt ist. Das sieht man anhand der vielen Villen und der Porsche-, Mercedes- und Sportwagen-Dichte die hier herrscht. Besonders im Norden der Inisel, rund um Kampen fallen die Reichen und Schönen schon auf. Viele flanieren gemütlich über die geteerten Rad- und Spazierwege und natürlich sind auch viele mit dem Rad unterwegs. Die meisten inzwischen mit Motor. Verrückt, wie schnell sich das E-Bike etabliert hat und man als Tourenfahrer ohne Unterstützung schon fast ein Exot ist.
Als ich beim Hafen von List zum ersten Mal eine Gosch-Kneipe mit Fischbrötchenstand sehe, kann ich der Versuchung nicht mehr widerstehen und kaufe mir mein erstes Krabbenbrötchen, obwohl ich mir fünf Minuten vorher bei Edeka bereits ein Sandwich gekauft habe. Mit doppelter Brötchenpower im Gepäck gehts dann weiter gen Norden, Richtung Ellenbogen. Das ist die Bezeichnung des obersten Inselzipfels. Ein passender Name, wenn man sich die Umrisse von Sylt anschaut. Inzwischen hat der Wind nochmal kräftig zugelegt und es ist definitiv zu frisch, um im T-Shirt weiter zu fahren. Auf einem künstlichen Damm geht es nach List dann weiter zum Abzweiger auf den Ellenbogen. Der Seitenwind bläst hier so stark, dass ich mich regelrecht dagegen stemmen muss und ganz schön schräg auf meinem Rad in der Landschaft stehe. Sieht ziemlich witzig aus, wenn einem Radler in Schräglage entgegenkommen.
Typischer Radweg im Norden von Sylt.
Bald erreiche ich den Abzweiger, wo ich eine kleine Mautstelle passieren muss. Die Panoramastrasse ist in Privatbesitz und die Durchfahrt für Autos kostet sechs Euro. Die Dame im Tickethäuschen winkt mich aber freundlich durch, als ich frage, ob die Radler auch bezahlen müssten. Hier oben ist dann nicht mehr viel los. Es sind keine radelnden Touris mehr zu sehen. Hier gibt es auch keine schicken Strandbars mehr, welche die Inselgäste anlocken. Mir ist es ganz recht so wie es ist und ich folge meinem GPS und fahre ein ganzes Stück auf dem Ellenbogen bis ich an einem kleinen Parkplanz ankomme, von dem aus ein schmaler Pfad über die Dünen zur Küste führt. Ich stelle mein Rad hier ab und gehe den Rest zu Fuss. Ein kleiner Strandspaziergang bringt mich dann tatsächlich zum nördlichsten Punkt Deutschlands. Ein unscheinbares Schild markiert diesen Ort. Die Stimmung ist herrlich. Der Wind bläst immer noch kräftig und ich geniesse die Ruhe und wilde Schönheit dieser Landschaft. Ein perfekter Platz, um mich meinem ersten Krabbenbrötchen und dem Edeka Sandwich zu widmen. Ich setze mich auf die Düne, vespere das Mitgebrachte und geniesse den Blick über die Küste und aufs weite Meer hinaus.
Für den Rückweg wähle ich den direkteren Weg und lasse List links liegen. Ein wunderbares kleines Strässchen führt durch die Dünen zurück nach Kampen. Man kommt immer wieder an Parkplätzen vorbei, von denen Pfade oder Holzplanken über die Dünen zu den Stränden führen. Einmal sehe ich sogar ein Schild wo «Strandsauna» drauf steht. Die würd ich mir gerne kurz anschauen, lass es aber bleiben, denn ich möchte noch nach Westerland und einen Cache suchen. Da liegt noch ein ganzes Stückchen Strecke vor mir. Auf dem Rückweg fahre ich diesmal durch Kampen durch und nicht wie auf dem Hinweg, auf dem Radweg dran vorbei. Kampen ist der Ort der Schönen und Reichen auf Sylt und unglaublich herausgeputzt. Noble Boutiquen säumen die Strasse und die schönen alten Klinkerhäuser mit ihren Reetdächern (Schilf) sind von grossen und schönen Gärten umsäumt. Auch wenn die vielen Villen im typischen friesischen Stil gebaut oder schön renoviert sind, wirkt alles dann doch etwas steif. Interessant ist, dass in der Germeinde schon 1912 festgelegt wurde, dass neue Häuser alle im traditionellen Stil zu bauen sind.
Weil ich am Morgen Westerland komplett ignoriert hatte, möchte ich nun doch noch einen kurzen Augenschein nehmen, fahre deshalb auf dem Rückweg am Campingplatz vorbei und nach einem kleinen Abstecher geotechnischer Natur, gehts nochmal ins Zentrum von Westerland. Die Fussgängerzone die vom Bahnhof ans Meer führt ist ziemich bevölkert. Die meisten Bars, haben draussen auf der breiten Fussgängerzone gestuhlt und sind sehr gut besucht, die Restaurants ebenso. Ich finde die Flaniermeile trotz allem nicht sonderlich sehenswert. Ein komischer Mix aus architektonischen Missgriffen aus den 70er bis 90er Jahren, mit ein paar ganz netten Häuschen und Geschäften dazwischen. Da ich inzwischen wieder hungrig bin und schon wieder an einem Gosch-Fischladen vorbei komme, kann ich es nicht lassen, nochmal schnell an die Theke zu gehen und die nächste Sorte der vielen verschiedenen Fischbrötchen auszuprobieren. Ich packte es ein, weil ich es erst später auf dem Campingplatz essen möchte. Unterdessen ist mir klar geworden, dass dieser Gosch die Fischfoodszene auf der Insel fest im Griff hat. Gibt es hier doch keine Ortschaft, wo nicht mindestens eines seiner Restaurants oder Bars zu finden sind. Hier in Westerland waren es gleich mehrere.
An der Uferpromenade von Westerland.
Ich spaziere bis ans Ende der Strasse, wo eine Treppe hinunter zur Uferpromenade führt. Da ist aber mächtig was los. Bars, Foodstände, kleine Shops und Restaurants haben hier ihre Stände aufgestellt. Aber auch namhafte Hersteller wie VW und diverse Surf- und Sportfirmen präsentierten hier ihre Produkte an Verkaufs- und Ausstellungsständen. Die Szenerie mit den Strandkörben hinter der Promenade, dem quirligen Leben dort unten, weckt mein Interesse und so stelle ich mein Rad oben auf einem grossen Platz ab, steige die Treppe zur Promenade hinunter und flanierte den gut bevölkerten Ständen entlang, bis mich der nächste Gosch-Stand dann komplett aus dem Konzept bringt. Hier werden Asia-Nudeln mit Shrimps frisch zubereitet und die sehen so lecker aus, dass ich mir denke: «Die Brötchen kann ich auch morgen zum Mittagessen vespern, die Nudeln die mir hier entgegenlachen sind bis dann aber kalt und öd». Und so bestelle ich mir eine Portion und bin begeistert. Das Essen hat eine wunderbare Schärfe und das Verhältnis von Shrimps zu Nudeln liegt geschätzt bei 1:1. Ich frage dann am Tisch, wo ich mich zu ein paar Leuten dazu setze, ob hier immer so viel los sei? Ich werde dann darüber aufgeklärt, dass hier heute ein Surfevent stattgefunden hat und deshalb die ganzen Stände hier stehen. Morgen sei das alles nicht mehr da. Nach dem Essen hab ichs dann aber langsam gesehen und möchte zurück. Ist mir alles ein bisschen zu hektisch hier. Es ist inzwischen auch empfindlich kühl geworden und ich bin auch ziemlich Müde. Hatte ich doch in der letzten Nacht nicht sehr viel geschlafen.
Inzwischen ist schon fast wieder Mitternacht und ich überlege mir, ob sich meine ausufernde Schreiberei wirklich lohnt, oder ob es nicht viel gemütlicher wäre, einfach zeitig in den Schlafsack zu schlüpfen und zu schlafen, oder den Abend sonstwie relaxter anzugehen. Aber wenn ichs bleiben lasse, ärgere ich mich später bestimmt, also versuche ich mal dran zu bleiben und täglich mein Tagebuch zu schreiben, auch wenns ein ziemlicher Zeitkiller ist.