Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Tag 1: Sonntag, 9. Juni 2019
Schlafend in den Urlaub

Bonstetten – Westerland

Radreise Teil 1 (Tage 1 – 3)

Anreise mit dem Nachtzug nach Westerland, Sightseeing Sylt und Weiterreise mit der Fähre nach Rømø. Durch ein Stück Dänemark gehts zurück nach Deutschland.

Der erste Tag meiner Reise beginnt ungewohnt früh, obwohl ich erst Abends um sieben los muss. Eigentlich wollte ich mein Ticket online buchen, aber ich schaffte es weder bei der SBB, der Deutschen Bundesbahn oder der ÖBB (Anbieter der Nightjet Züge) alle benötigten Tickets zusammen zu buchen. Ich brauche ein internationales Fahrradticket, ein Ticket für den Schlafwagen, eines für die Weiterfahrt von Hamburg nach Westerland und vielleicht noch Reservationen für Sitzplätze oder einen Fahrradplatz. So entscheide ich mich, mir mein Ticket wie man es früher tat, am Bahnschalter zu holen. Da unser Bahnhof am Sonntag leider nicht mehr bedient ist, muss ich nach Affoltern am Albis. Pünktlich um acht, als die Verkaufsstelle ihre Türen öffnet, bin ich vor Ort, trete in die Schalterhalle und erkläre dem Herren der mich bedient meinen Reisewunsch. Um 8:15 habe ich alle Tickets von Bonstetten nach Westerland in der Tasche. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Schnell nach Hause etwas frühstücken und gleich weiter ins Büro, um die letzten Pendenzen abzuarbeiten. Ich gebe mir Zeit bis 14 Uhr, schaffe den Absprung aber erst gegen halb vier.

In der S-Bahn

Alle Tickets sind gekauft. Es gibt kein zurück mehr.

Zuhause wird das ganze Gepäck, das ich am Vorabend schon akribisch nach einer umfangreichen Packliste zusammengestellt hatte, möglichst optimal auf die vier Gepäck- und Lenkertaschen verteilt. Das ist eine ganz schöne Herausforderung, damit man sich da nicht zu sehr verzettelt und eine Ordnung hinbekommt, an die man sich mit der Zeit gewöhnen kann und die Sinn macht. Auf meiner Testtour zum Königssee hatte ich das Gefühl, dass mein Lowrider der die Vorderrad-Taschen hält, zu schwer beladen war. Das macht das Lenken recht mühsam. Die Packordnung war aber sehr einfach und logisch. Vorne links Technikkrempel, vorne rechts alles für die Küche. Das passte wunderbar in die kleineren Vorderradtaschen, war aber trotz geringeren Volumens ziemlich schweres Zeug. Darum suche ich nun nach einer anderen Ordnung, um das Gewicht auf dem Lowrider zu reduzieren. Ein Spickzettelchen das ich mir in meiner Lenkertasche festmache, hilft mir die neue Ordnung beizubehalten und Benötigtes unterwegs schnell zu finden. Schlafsack, Flickzeug und Spiritus vorne links, Schlafmatte, dünne Windjacke, diverse Ladekabel, GoPro und Zeltlicht vorne rechts. Hinten links, Drohne und Kleider und hinten rechts Hygieneartikel, Küche, Food und Wasser. Es wird wohl ein Weilchen dauern, bis ich mich ans neue System gewöhnt habe. Als ich mich auf den Weg zum Bahnhof mache, bin ich etwas überrascht: das Fahrverhalten hat sich nicht merklich verbessert ;-) Nun denn, ich habe jetzt vier Wochen Zeit, am Packsystem herumzutüfteln, befürchte aber, dass ich ganz einfach zu viel und zu schweres Gepäck dabei habe. Zudem ist die Lenkertasche mit Kamera, GoPro, Tonaufnahmegerät, diversen Akkus und Batterien, zwei Powerbanks, diversen Kabeln, Sonnencreme, Portemonnaie und was weiss ich noch alles, auch nicht gerade leicht.

Kurz vor sieben habe ich dann all mein Gepäck irgendwie verstaut, hüpf noch schnell unter die Dusche, presse fünf Bar beste Bonstetter Luft in die Reifen und radle im Nieselregen zum Bahnhof. Mit der S-Bahn gehtes dann mit voll beladenem Tourenrad nach Zürich.

In der S-Bahn

Abends um sieben beginnt meine Reise in der S-Bahn in Bonstetten.

Zum Umsteigen habe ich eine gute halbe Stunde Zeit und das ist gut so. Mein Rad hat einen reservierten Haken im Wagen 106, mein Liegeabteil ist im Wagen 112. Schön, wie das hektische Gefühl der letzten Stunden nun langsam von mir abfällt und ich herunterfahren kann. In meinem Abteil sitzt schon eine Frau mit ihrer Tochter und ein junger Mann. Kurz vor der Abfahrt gesellt sich noch eine weitere Frau dazu. Früher hätte ich wohl gewartet, bis jemand das Gespräch begonnen hätte, heute fällt mir das zum Glück ein bisschen leichter und bald schon erfahre ich von den Mitreisenden deren Zielort und den Grund der Reise. Etwas später stellen wir uns einander noch per Namen vor, was die ganze Athmosphäre nochmal etwas auflockert. Christin, eine Priesterin, die vor zwanzig Jahren aus Bayern in die Schweiz kam und heute im Aargau lebt, fährt mit ihrer Tochter Isabella zu einer Beerdigung nach Hamburg. Kathy, eine ehemalige Architektin, die heute Lehrerin ist, sitzt neben mir und Patrick, ein junger Schweizer, der für sieben Tage mit Interrail unterwegs ist, sitz vis à vis von mir. Er hat im Moment noch keinen Plan, ausser mal nach Hamburg zu fahren und dann weiter zu schauen. Ein nettes Grüppchen hat sich da getroffen und ich lerne, dass einem Schildkröten zulaufen können und – was aber viel irrer ist – man die Tiere im Winter im Kühlschrank überwintern lassen kann. Schildkröten verfallen in eine Winterstarre und da es bei uns in den Häusern kaum Plätze gibt, die sechs Grad kalt sind, eignet sich der Kühlschrank als ideales Winterquartier. Was für eine schräge Geschichte. Kathy hat für ihr zugelaufenes Tierchen extra einen dieser Mini-Kühlschränke gekauft, die früher oft in Hotelzimmern als Minibar genutzt wurden. Was ein Luxus! Ein Tiny House for animals.

Inzwischen haben wir die Liegen herunter geklappt und meine Mitreisenden haben sich schon schlafen gelegt. Mir ist es noch etwas zu früh und so hab ich mich mit meinem kleinen MacBook im Gang auf den Boden gesetzt und mal versucht, den Anfang meiner Ferien niederzuschreiben. Gut, wenn gleich der Wagenmeister nebenan sein Kämmerchen hat und man so gleich noch ein Absacker-Bierchen bestellen kann. Ich werde von ihm dann auch noch nett darauf hingewiesen, dass es zwei Wagen weiter noch viele freie Sitzplätze gibt und ich dort bestimmt etwas bequemer tippen könne. Das lass ich mir nicht zweimal sagen und verschiebe mich dorthin. Inzwischen ist Karlsruhe schon vorbei, im Moment stehen wir in Mannheim und so langsam werden meine Augenlider schwer. Ich werde mich wohl auch langsam in mein Bettchen verschieben und hoffe, dass ich wenigstens ein bisschen schlafen kann. Normalerweise finde ich in diesen 6er Liegewagen kaum Schlaf. Schau mer mal und sonst bestell ich mir einfach noch ein Bier ;-) Ich bin auf jeden Fall schon sehr relaxed und komme so langsam in den Ferien an. Was mich früher stresste, mit fünf fremden Menschen in einem Abteil zu sitzen, tut es heute nicht mehr gross. Im Gegenteil, ich finde es interessant zu erfahren, wer da mitreist und was für Geschichten die Leute zu erzählen haben. Besonders nett ists natürlich, wenn es Menschen sind, mit denen auch ein Gespräch aufkommt. Der Start ist auf jeden Fall schon mal gelungen und ich freu mich auf viele weitere Abenteuer, die auf mich warten.

Gute Nacht.

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