Deutschland-Reise:
Mit dem Fahrrad von Sylt nach Oberstdorf

Prolog: Wie es dazu kam.

Diese Challenge wuchs in den letzten Jahren, wie ein zartes Pflänzchen in mir heran. Ich war schon immer gerne mit dem Mountain Bike oder dem Rennrad unterwegs und als leidenschaftlicher Wanderer und Hochtourengänger, waren die Berge immer eine Spielwiese, die mich magisch anzog. Alles was nicht irgendwie steil hoch ging, tat ich als harmlosen Spaziergang ab, bis ich im Herbst 2011 übers Geocaching, auf die mehrtägige Schluchtensteig Wanderung aufmerksam wurde. In sechs Etappen durchquert man hier phantastische Landschaften im Südschwarzwald. Der bekannteste Tagesabschnitt führt durch die sehr schöne und weit herum bekannte Wutachschlucht, die ich sowieso schon lange mal durchwandern wollte. Es war Mitte Oktober, die Saison in den Alpen wegen frühen Schneefalls vorbei und so liess ich mich «herab», auch mal im «Flachland» zu wandern und ging dieses Abenteuer an. Ich mag mich noch gut erinnern, als der Kilometerzähler auf meinem mobilen GPS am vierten Tag auf 100 km sprang. Irgendwie war das eine magische Zahl. Ich war noch nie hundert Kilometer am Stück gelaufen. Meine Meinung, dass Wanderungen, die nicht in den Alpen stattfinden per se langweilig und nur für Luschen sind, verwarf ich nach dieser Tour mächtig. Ich war begeistert, an was für tollen Orten man vorbei kommt und was man zu Fuss alles schaffen kann.

Der nächste Schritt meiner Liebe zu Fernwanderungen war dann 2016 der Traumpfad München - Venedig. Auch diese Wanderung entdeckte ich dank Geocaching und so langsam merkte ich auch, wieviele Fernwanderwege es bereits gibt und was für phantastische Routen und Landschaften man auf solchen Routen entdecken kann. Lange schob ich dieses Abenteuer aber vor mir her, da es doch viel Zeit in Anspruch nimmt. Ende 2015 gab ich mir einen Ruck und reservierte mir vier Wochen im Frühsommerm um zu Fuss von München nach Venedig zu wandern. In 28 Tagesetappen ging es über 25’000 Höhenmeter und 600 Kilometer aus eigener Muskelkraft über die Alpen. Ein unvergessliches Erlebnis, welches in mir ein Feuer entfachte und Lust nach weiteren Touren machte. Vor der Tour war ich sehr gespannt, ob so eine Reise nicht schnell langweilig werden könnte. Ob man Durchhänger hat, sich nach zwei Wochen vielleich nicht mehr motivieren kann, oder man ganz einfach genug vom ewigen Laufen hat. Nichts von alledem geschah. Ich hatte nicht einen Tag keine Lust weiter zu ziehen. Die Neugier war nur dabei nur eine Triebfeder. Die Lust am Laufen, das Entdecken neuer Landschaften, die Begegnung mit anderen Menschen und natürlich die unbeschreiblich tolle Natur, die ich jeden Tag erleben durfte, waren weitere Gründe, jeden Tag wieder die Schuhe zu schnüren und los zu laufen. Ich war immer gespannt auf das nächste Ziel und den Weg dort hin. Als ich Venedig erreichte, war für mich klar, dass ich auch in Zukunft solche Reisen unternehmen werde. Das langsame Reisen zu Fuss ist einfach unglaublich schön. Man hat Zeit, man rast nicht wie im Auto an den meisten Dingen vorbei, man entdeckt so viele kleine und schöne Dinge, die man auf «normalen» Reisen gar nicht mehr wahr nimmt. Am Ende bekommen auch die zurückgelegten Distanzen plötzlich eine ganz andere Dimension. Wenn man mal 600 Kilometer gelaufen ist, begreift man erst, zu was der Mensch im Stande ist. Ich empfand meine Leistung als nichts berauschendes, auch wenn es für viele vielleicht etwas wirklich Grosses ist. Für mich war es einfach vier Wochen Erlebnis, vier Wochen Freude, denn Laufen und Wandern ist schon seit Jahren meine Leidenschaft.

Der Grundstein war gelegt und natürlich war es auch kein Zufall, dass ich wieder übers Geocaching auf die Deutschlandtour gekommen bin. Schon lange wollte ich an die Nordsee und schon lange wollte ich mein Heimatland Deutschland besser kennen lernen. Was lag da näher, als die nächste Challenge anzugehen und es dieses Mal mit dem Fahrrad zu probieren. Der Plan: In vier Wochen vom nördlichsten Punkt von Deutschland zum südlichsten Punkt zu radeln. Ich wusste nicht, ob es mir gleich viel Freude machen würde, wie meine Alpenüberquerung. Ich machte mir wieder Gedanken darüber, ob ich nach einer oder zwei Wochen genug vom Radeln habe, oder ob mein Hintern vier Wochen auf dem harten Sattel ohne Schwielen übersteht ;-) Ich wollte möglichst viel draussen sein und die Nächte wenn möglich im Zelt verbringen und mich so oft es ging auch selber Verpflegen. Mir war relativ schnell klar, dass für diese Herausforderung ein neues Rad gekauft werden musste und fürs Kochen erweiterte ich mein Outdoor-Equipment mit einem Trangia Kocher. Ich hatte keine Lust, die Sache mit dem Rennrad oder Mountainbike als Bikepacking-Tour anzugehen. So legte ich mir ein seriöses Tourenrad mit Packtaschen zu und startete Anfangs April zu einer dreitägigen Testfahrt um den Bodensee. Das waren doch schon mal 300 Kilometer mit Vollpackung, bei noch frostigen Nächten. Die Generalprobe war dann Ende April eine einwöchige Radreise auf dem Bodensee-Königssee Radweg. 500 Kilometer mit vielen Höhenmetern. Wieder mit Zelt und Kocher. Ein ganz schön anspruchsvoller Radweg, für den ich mir acht Tage Zeit nahm und mit dem Wetter ein riesen Glück hatte. Das Unternehmen gelang und ich hatte schon ein paar Dinge gelernt und war nach dieser Radreise parat fürs grosse Abenteuer.

Nach dieser Vorbereitung war ich mir ziemlich sicher, dass ich nun auch die Königsrunde von Sylt nach Oberstdorf angehen konnte. Den Track stellte ich mir selber zusammen. Es waren einzig 25 Punkte anzufahren, die der Geocache vorgab. Der geplante Track war 1520 Kilometer lang. Die gefahrene Strecke (nach GPS-Aufzeichnung) lag dann bei rund 2000 Kilometer.

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